Die Privatsphäre als Produkt

Immer mehr Firmen entwickeln Hard- und Software, mit deren Hilfe Nutzer leichter als bisher der Datensammelei von Online-Werbevermarktern entgehen sollen.

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Von
  • Tom Simonite

Immer mehr Firmen entwickeln Hard- und Software, mit deren Hilfe Nutzer leichter als bisher der Datensammelei von Online-Werbevermarktern entgehen sollen.

Viele Geschäftsmodelle im Netz sind gescheitert, einige funktionieren, nur eines läuft richtig gut: das „Targeted Advertising“ – Anzeigen, die auf das Online-Verhalten von Nutzern zugeschnitten sind. Aus den Daten, die sie in Web und Apps erzeugen, erstellen Anzeigen-Vermarkter, allen voran Google, vermeintlich Interessenprofile, die sich in klingende Münze umsetzen lassen. Für Nutzer gibt es kaum eine Chance, sich aus diesem Datenhandel auszuklinken, und Datenschützer fordern seit langem neue Regelungen.

Während sie an den Staat denken, der es richten soll, haben die ersten Firmen angefangen, Datenhandel und Datenschutz-Anforderungen selbst auf einen Nenner zu bringen. Etwa, indem sie Smartphones und Browser um Funktionen ergänzen, mit denen Nutzer besser kontrollieren sollen, was mit ihren Daten geschieht. Oder gleich ganze Smartphones neu konstruieren.

Eines davon ist das Blackphone, das im März auf den Markt kommen soll. Es ist wohl das ehrgeizigste Projekt unter diesen Ansätzen. Das Android-Gerät ist ein Joint-Venture zwischen dem spanischen Hersteller Geeksphone und der Firma Silent Circle, die vom Erfinder der PGP-Verschlüsselung, Phil Zimmerman, gegründet wurde.

Javier Agüera, Mitgründer von Geeksphone, betont allerdings, das Gerät sei nicht „NSA-proof“, könne also ein Ausspähen durch den umstrittenen US-Geheimdienst nicht ausschließen. Mit dem Blackphone soll vielmehr verhindert werden, dass Dritte Nutzungsdaten – etwa die Browser-Historie oder Aufenthaltsorte - gegen den Willen seiner Besitzer nutzen können.

Hierzu blockiert das Blackphone per Voreinstellung Software, mit deren Hilfe Webseiten solche Daten einsammeln. Die drahtlose Netzanbindung ist so konfiguriert, dass Sensoren in Geschäften die Anwesenheit des Geräts nicht aufzeichnen können. Auf diese Weise erstellen Einzelhändler Profile, wie oft eine Person in deren Läden geht. Anrufe und SMS an andere Blackphones werden außerdem automatisch verschlüsselt. „Vielleicht wollen manche personalisierte Werbung zulassen, aber sie sollen unseres Erachtens selbst entscheiden können“, sagt Agüera.

Diese Entscheidungsfreiheit existiert bislang kaum. Zwar gibt es Opt-Out-Lösungen, die von Anzeigen-Vermarktern wie Google selbst entwickelt worden sind. Doch die wenigsten Nutzer kennen sie, und oft genug sind sie auch noch umständlich zu bedienen.

WhiteHat Security hat deshalb bereits im vergangenen Jahr einen selbst entwickelten Browser für Apple-Geräte veröffentlicht. Die Aviator genannte Software blockiert Online-Werbung und Tracking-Technologien. In Webseiten eingebettete Multimedia-Elemente werden von Aviator daran gehindert, automatisch nach dem Seitenaufruf zu starten.

Im Browser steckt Chromium, die quelloffene Software-Basis für den Chrome-Browser von Google. „Ich wünschte, wir hätten nicht zu diesem Mittel greifen müssen, selbst einen Browser zu bauen“, sagt Jeremiah Grossman, Mitgründer von WhiteHat Security, „aber der Markt hat auf die Privatsphären-Bedürfnisse der Menschen bisher nicht reagiert.“

Der Browsermarkt wird von den Produkten von Microsoft und Google beherrscht. Beide Unternehmen investieren kräftig in das Online-Werbegeschäft. Selbst der von der Non-Profit-Stiftung Mozilla Foundation entwickelte Browser Firefox ist mit der Werbeindustrie verbandelt: Der größte Geldgeber der Stiftung ist Google. 2012 zahlte der Datenkonzern 274 Millionen an die Mozilla Foundation, damit die Google-Suche als Standard-Suchmaschine in Firefox festgelegt ist.

„Wir sind nicht anti-Online-Werbung“, betont Grossman, „wir sind für Sicherheit und Privatsphäre.“ Er selbst demonstrierte im vergangenen Jahr, wie sichNetzwerke aus Online-Anzeigen dazu nutzen lassen, um Schadsoftware zu verbreiten.

Ursprünglich hatte WhiteHat Security den Aviator-Browser für den firmeninternen Gebrauch entwickelt. Nachdem Grossman von Freunden und Geschäftspartner aber immer wieder auf Tipps gegen die Datensammelei angesprochen worden war, beschloss er, Aviator für die Öffentlichkeit freizugeben. Seither ist die Software zehntausende Male heruntergeladen worden, eine Windows-Version soll in einigen Monaten herauskommen.

Geld will Grossman mit Aviator nicht verdienen. Die Hersteller des Blackphones und andere Firmen setzen jedoch darauf, dass auch Privacy-freundliche Lösungen ein gutes Geschäft werden.

Eine weitere kommt etwa von Pogoplug, einem Anbieter von Cloud-Speicherdiensten. 2012 brachte die Firma ein 49 Dollar teures Gerät heraus, dass Online-Anzeigen in der Internet-Anbindung von Privatnutzern anonymisiert und blockiert. Das Start-up Adtrap bietet ein ähnliches Gerät für 129 Dollar an, um Anzeigen aus einem Heim-WLAN herauszuhalten.

Für Gabriel Weinberg, Gründer der Suchmaschine DuckDuckGo – die nur wenige Suchdaten speichert –, ist eine Datenschutz-orientierte Ausrichtung kein Hindernis, ein profitables Geschäft aufzuziehen. „Es ist ein Mythos, dass man Menschen ausspähen muss, um Geld zu machen“, sagt Weinberg. Ob Anzeigenerlöse aus DuckDuckGo reichen, um die Suchmaschine profitabel zu machen, will er vorerst jedoch nicht sagen. „Wenn Sie ‚Hypothek’ eingeben, bekommen sie natürlich Anzeigen zu Hypotheken. Dafür müssen wir aber nicht wissen, wass Sie sonst tun“, sagt Weinberg.

Seit den Enthüllungen über die NSA-Überwachung hat sich die Nutzung von DuckDuckGo verdoppelt. Derzeit verarbeitet die Suchmaschine täglich 4,3 Millionen Anfragen – verglichen mit Google-Suchanfragen sicherlich immer noch eine bescheidene Zahl. Weinberg ist jedoch überzeugt, dass es genügend Verbrauchern nicht mehr egal ist, was Unternehmen mit ihren Daten machen. „Ich glaube, es gibt in fast jeder Kategorie eine Datenschutz-freundliche Alternative, die nur ein Minimum an Daten speichert.“

(nbo)