Der geplatzte Traum vom Mikrobensprit

Der Verkauf der US-Firma LS9 ist symptomatisch für das Scheitern von Start-ups, immer mehr satteln nun auf Spezialchemie um.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Martin LaMonica
  • Narayanan Suresh

Der Verkauf der US-Firma LS9 ist symptomatisch für das Scheitern von Start-ups, die mit Methoden der Synthetischen Biologie Mikroorganismen zu kostengünstigen Kraftstofffabriken machen wollten. Immer mehr satteln nun auf Spezialchemie um.

Vor neun Jahren startete die kalifornische Firma LS9 mit großen Ambitionen. Sie wollte nichts weniger als den umweltfreundlichen Biosprit der übernächsten Generation erfinden. Gegründet von herausragenden Wissenschaftlern und bekannten Wagniskapitalgebern, machte sich LS9 daran, Mikroorganismen gentechnisch so zu verändern, dass sie Kraftstoffe aus Zucker produzieren.

Im Januar ging den Gründern nun endgültig der Atem aus: Sie verkauften das Unternehmen für 40 Millionen Dollar an den Biodiesel-Hersteller Renewable Energy Group (REG). Weitere 21,5 Millionen Dollar will REG überweisen, sollte sich die Technologie doch noch als profitabel erweisen. Dem stehen Investitionen von 81 Millionen Dollar seit 2005 gegenüber, mit denen dieses Ziel nicht erreicht werden konnte.

Bereits vor zwei Jahren hatte LS9 mit dem Verkauf seines Mikroben-Biodiesels an Raffinerien beginnen wollen. Doch daraus wurde nichts. Die im US-Bundesstaat Iowa ansässige REG plant nun lediglich, mit dem LS9-Verfahren Spezialchemikalien in kleineren Mengen herzustellen. Von einer Biosprit-Produktion ist vorläufig keine Rede mehr.

LS9 ist eine von mehreren Firmen, die mit Hilfe der Synthetischen Biologie eines der größten Probleme von Biokraftstoffen lösen wollten: den Flächenverbrauch durch den Anbau von „Energiepflanzen“, von denen hinterher nur kleine Teilen – die Früchte – in Sprit umgewandelt werden und die dem Anbau von Nahrungspflanzen Platz wegnehmen. Mit gentechnisch veränderten Mikroben könnten im Prinzip auch die in Stengeln und Blättern enthaltenen Zuckerverbindungen umgewandelt werden. Mehr noch, je nach Stoffwechselweg in den Einzellern könnten diese eine ganze Reihe unterschiedlicher Kraftstoffe produzieren, die von erdölbasierten Originalstoffen chemisch nicht zu unterscheiden wären. Damit könnte die technische Infrastruktur für die Kraftstoffversorgung unverändert weiter betrieben werden.

Im Prinzip klappte das auch, doch ist es keinem der Unternehmen bislang gelungen, die Produktion hochzuskalieren und die Kosten auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu drücken. LS9 betrieb eine Pilotanlagen in Florida, die kleine Mengen Diesel produzieren konnte. Damit konnte die Firma einige Großunternehmen als Partner für Tests gewinnen. Doch dann habe LS9 Probleme gehabt, eine größere Anlage zu finanzieren, sagt David Berry, Mitgründer und Investor bei Flagship Ventures.

Auch die Firma Solazyme wollte groß ins Geschäft kommen und für das US-Militär mit Hilfe von Algen Kraftstoffe aus Zucker produzieren. Inzwischen konzentriert sich Solazyme auf die Herstellung von Ölen für Kosmetikprodukte. Nicht viel anders ist die Situation bei Amyris. Es hat ein Vorläuferprodukt für Diesel entwickelt, von dem es auch kleine Mengen an Bus-Unternehmen verkauft. Das Hauptgeschäft liegt aber auch hier längst bei Kosmetikzutaten für Feuchtigkeitscremes oder Duftstoffe.

„Viel von dem, was diese Firmen 2006, 2007 im Zusammenhang mit Biokraftsstoffen behaupteten, hat sich als viel zu optimistisch herausgestellt“, sagt Gregory Stephanopoulos, Biotechnik- und Chemieingenieur am MIT.

Die wissenschaftlichen Grundlagen seien solide gewesen, doch in den meisten Fällen waren die Labordemos an Universitäten noch nicht reif für eine industrielle Anwendung“, sagt auch James Collins, Biomedizin-Ingenieur an der Boston University.

Als schwierig erwies sich nicht nur das technische Design der Mikroben, Probleme machten auch die hohen Anlagekosten, selbst für Pilotanlagen. Kraftstoffe sind aber ein Produkt mit niedriger Marge, so dass ein Profit nur mit großen Tonnagen möglich ist. Richtige Industrieanlagen würden aber Hunderte Millionen Dollar Investitionen erfordern.

Einige Biosprit-Firmen konnten zwar mit einem Börsengang das erforderliche Kapital einwerben. Doch die Investoren haben inzwischen das Interesse an Mikroben-Biosprit verloren. „Die wenigsten Investoren sind bereit, für Machbarkeitsnachweise zu zahlen“, sagt David Berry.

Jay Keasling, einer der Gründer von LS9 und CEO des Joint BioEnergy Institute – das dem US-Energieministerim gehört –, gibt zu, dass die Synthetische-Biologie- Branche langsamer als erhofft vorangekommen sei. Er geht davon aus, dass Biokraftstoffe auf absehbare Zeit das fossile Originale preislich nicht unterbieten können. Ein Öl-Preis von 20 Dollar pro Barrel sei unerreichbar, sagt Keasling. „Ich hoffe, dass wir bei einem Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel mithalten können.“ Doch selbst um diese Preisklasse zu erreichen, seien weitere Fortschritte in den wissenschaftlichen Grundlagen und in der Anlagentechnik nötig.

Theoretisch seien Mikroben-Kraftstoffe sogar besser als Ethanol, das erst mit Zusätzen  tauglich für den Einsatz in Fahr- und Flugzeugen gemacht werden muss. Aus chemischen Gründen sei die Umwandlung von Zucker in die für Kraftstoffe typischen Kohlenwasserstoffe jedoch niedriger als die in Ethanol, sagt Keasling. „Es ist sehr schwer, die Erträge so zu steigern, dass sie wirtschaftlich werden.“

Um den Stoffwechsel der Mikroben zu beschleunigen und so die Erträge zu vergrößern, müssten Bioingenieure genetische Eigenarten noch schneller erkennen und in einem Stoffwechseldesign umsetzen können, erläutert Keasling. Ziel sei: „Wir müssen in der Biotechnik so gut werden wie in der Mikroelektronik.“ Außerdem könnten auch die Pflanzen, die als Rohstoff dienen, noch verbessert werden und so dazu beitragen, die Kosten zu senken.

Um sich von den Rohstoff-Kosten unabhängig zu machen, startete LS9-Mitgründer Berry einen zweiten Versuch. Sein Start-up Joule Unlimited will Mikroorganismen dazu bringen, aus Sonnenlicht, CO2 und einigen Nährstoffen Kraftstoffe zu produzieren.

Andere Neugründungen der letzten Zeit versuchen erst gar nicht mehr, ins Geschäft mit Sprit aus Synthetischer Biologie einzusteigen. Lygos, die erste Ausgründung aus Keaslings Joint BioEnergy Institute setzt gleich von Anfang auf hochwertige Chemikalien für andere Hersteller. Doch selbst hier ist kein Erfolg garantiert, weil die Stoffe eine Qualität haben müssen, wie sie die petrochemische Industrie seit Jahrzehnten erreicht. (nbo)