CDU: Telefon-Daten müssen sicher sein, Vorratsdatenspeicherung notwendig

Während Wolfgsang Bosbach sich wegen der Telekom-Bespitzelungsaffäre alarmiert zeigte und vor einer Infragestellung der Vorratsdatenspeicherung warnte, will die FDP besseeren Datenschutz. Die Bundesregierung will Selbstverpflichtungen der Industrie.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 125 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ulrich Scharlack
  • Jürgen Kuri
  • dpa

Die Bespitzelungsaffäre bei der Telekom hat nach den Worten des stellvertretenden Unions-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Bosbach die Politik alarmiert. "Wir nehmen den Vorgang sehr, sehr ernst", sagte Bosbach in einem Gespräch mit dpa. Er warnte allerdings davor, wegen der Affäre nun die Vorratsdatenspeicherung zur Terror-Abwehr infrage zu stellen. "Der Umgang mit Telefon-Daten ist sehr sensibel", meinte der Politiker. "Die Bürger müssen sicher sein, dass ihre Daten ausreichend geschützt sind." Auf die Frage nach den Konsequenzen sagte Bosbach: "Es geht hier doch um die Frage des Rechtsbruchs." Zunächst einmal müsse die Telekom "ohne Ansehen der Person und rücksichtslos aufklären". Er würde skeptisch werden, wenn die Telekom eines Tages sagen würde, ein untergeordneter Angestellter sei ohne Wissen der Konzernspitze tätig geworden.

Bosbach sprach sich trotzdem dafür aus, die Vorratsdatenspeicherung zur Aufklärung terroristischer Straftaten weiter zu verfolgen. "Es ist etwas anderes, wenn der Staat unter strikter Beachtung rechtsstaatlicher Anforderungen Regelungen zur Terrorabwehr aufstellt, als wenn in einem Unternehmen Rechtsbruch begangen wird." Bei der Beratung über die Vorratsdatenspeicherung ist nach seinen Worten bereits über die Frage einer zentralen Speicherung unter Einbeziehung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gesprochen worden, wie sie nun der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen, ins Spiel brachte. Damals habe sich aber die Auffassung durchgesetzt, die Speicherung bei den Unternehmen zu belassen. "Ich halte es für möglich, dass dieses Thema noch einmal auf die Tagesordnung kommt", sagte Bosbach.

Vor dem Hintergrund der Bespitzelungsaffäre hat die FDP dagegen eine Reform des Datenschutzrechts gefordert. Dies sei dringend erforderlich, um Missbrauch effektiv vorzubeugen. "Die Zweckentfremdung von persönlichen Daten, bis hin zur Erstellung von Bewegungsprofilen, ist ein Frontalangriff auf die Menschenwürde", sagte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz. "Datenschutzverstöße sind keine Kavaliersdelikte, sondern eine massive Einschränkung der Grundrechte und der Freiheiten, die in unserer Verfassung garantiert werden." Die FDP hatte bereits zuvor vor dem Hintergrund der Spitzelaffäre ähnlich wie die Grünen die Abschaffung der zum 1. Januar eingeführten Vorratsspeicherung der Telekommunikations- und Internet-Verbindungsdaten aller Bürger gefordert. Dem schloss sich auch der Deutsche Journalisten-Verband an, der zudem eine wirksame Kontrolle der Datenspeicherung bei Telecom-Firmen forderte. Datenschutzaktivisten wehren sich schon länger gegen die Vorratsdatenspeicherung; der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der für den morgigen Samstag zu einem Aktionstag in der gesamten Bundesrepublik aufrief, hat unter anderem eine Massenklage gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht initiiert, die derzeit noch anhängig ist.

In der Bespitzelungsaffäre hatte die Bonner Staatsanwaltschaft gegen den Ex-Vorstandsvorsitzenden Kai-Uwe Ricke, seinen ehemaligen Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel sowie weitere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Kern geht es um den Verdacht, dass die Telekom auf der Suche nach undichten Stellen Kontakte von Managern und Aufsichtsräten zu Journalisten ausgespäht haben soll. Offiziell geht es um den Vorwurf der missbräuchlichen Verwendung von Daten und der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Mittlerweile gibt es Berichte, dass die Telekom über die Analyse von Telefon-Verbindungsdaten hinaus einen Spitzel in die Capital-Redaktion eingeschleust, Bankdaten von Journalisten ausgespäht und auf Basis von Handy-Verbindungsdaten Bewegungsprofile erstellt haben soll. Die Überwachungen sollen bereits 2000 begonnen haben, als Ron Sommer noch als Vorstandschef amtierte. Nach Angaben von Telekom-Vorstandschef René Obermann vom heutigen Freitag gibt es aber keine Erkenntnisse von einer angeblichen Überwachung von Bankdaten. "An dieser Stelle muss ich alle Spekulationen zurückweisen", sagte er.

Die Bundesregierung will nun die gesamte Branche zu einer Selbstverpflichtung zur stärkeren Beachtung des Datenschutzes bewegen. Ziel sei, das Bewusstsein für den Datenschutz zu schärfen. Mit dem für diesen Montag angesetzten Gespräch im Innenministerium solle ein Dialog angestoßen werden, sagte eine Ministeriumssprecherin. "Dieser Dialogprozess ist offensichtlich notwendig." Das Gespräch diene nicht dazu, einer Gesetzesverschärfung den Weg zu bereiten. Das Justizministerium will vor Konsequenzen zunächst die Ermittlungsergebnisse abwarten. Für die Frage, ob bestehende Gesetze geändert werden müssen, sei es zu früh.

Der Bespitzelungsskandal könnte nach Einschätzung des CDU-Haushaltspolitikers Steffen Kampeter die Bundesrepublik stärker erschüttern als die sogenannte Spiegel-Affäre. Das Ausmaß der Telekom-Krise sei in der öffentlichen Debatte noch nicht erkannt worden, sagte Kampeter der dpa. "Ich erwarte eine größere Dimension als bei der 'Spiegel-Affäre'." Diese war 1962 nach einen Bericht des Nachrichtenmagazins zur Bonner Verteidigungspolitik ausgelöst worden und hatte die Bundesrepublik an den Rand einer Staatskrise gebracht; damals allerdings gingen staatliche Stellen mit Durchsuchungen der Redaktionsräume und der Verhaftung von Redakteur Conrad Ahlers und Herausgeber Rudolf Augstein gegen die Berichterstattung des Spiegel vor.

Siehe dazu auch:

(Ulrich Scharlack, dpa, Jürgen Kuri) / (jk)