Experte plädiert für neues Urheberrecht

Der Urheberrechtsexperte Till Kreutzer will erreichen, dass die bisher als Ausnahmen gefassten Nutzungsrechte der Allgemeinheit dem eigentlichen Schutzrecht der Kreativen und Verwerter gleichgestellt wird.

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Der Hamburger Rechtsexperte Till Kreutzer macht sich für eine umfassende Reform des Urheberrechts stark. "Das gegenwärtige Modell hat sich immer weiter von der Realität entfernt", erklärte der Leiter des Referats Urheberrecht am Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) gegenüber heise online. Derzeit sei das umfassende und exklusive Schutzrecht für die Verwerter und Kreativen die Regel. Nutzungsfreiheiten für die Allgemeinheit würden dagegen nur als Ausnahmen in Form sogenannter "Schrankenrechte" gefasst. Das sei in Zeiten der digitalen Informationsgesellschaft ein Anachronismus, der durch EU-Vorgaben und die zwei jüngsten Novellierungen des Urheberrechtsgesetzes verschärft worden sei. Daher müssten Nutzer- und Schutzrechte einander gleichgestellt werden.

"Bereiche, in denen die Interessen Dritter an der freien Nutzung geschützter Werke generell überwiegen, könnten so von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Urheberrechts ausgenommen werden", erläutert das Mitglied des wissenschaftlichen Kollegiums am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg seinen Ansatz. Dies bezöge sich etwa auf Privatkopien oder Vervielfältigungen bei Archiven, die im öffentlichen Interesse agieren. Möglich werde es auch, Bereiche auszuweiten, in denen eine Nutzung ohne Zustimmung der Verwerter, aber gegen eine angemessene Vergütung zulässig sein sollte. Davon könnten etwa öffentliche Bibliotheken profitieren.

Weiter drängt Kreutzer auf eine stärkere Unterscheidung der Interessen von Urhebern und Verwertern. Es sei zu trennen zwischen ideellen und materiellen Belangen an einem Werk. In diesem Sinne plädiert der Jurist für die Aufteilung des Urheberrechts in ein "Urheberschutzrecht", das allein den eigentlichen Schöpfern zugute kommen soll, und einem "Werkschutzrecht" auf zweiter Ebene. Letzteres solle die wirtschaftlichen Interessen an der Verwertung von Inhalten garantieren. Davon erhofft sich Kreutzer eine Stärkung der für Urheber wichtigen persönlichkeitsrechtlichen Belange wie dem Schutz der Integrität oder der Reputationsförderung für "persönliche Werke".

Das Werkschutzrecht soll dagegen beim Schutzumfang und der -dauer so angepasst werden, dass es die Belange von Rechteinhabern und Allgemeinheit gleichermaßen berücksichtigt und in eine echte Balance bringt. Als Orientierungslatte schlägt Kreutzer dazu ökonomische Prinzipien wie die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, Innovationsanreiz oder "Wohlfahrtsoptimierung" vor. Zudem sollten Ausschließlichkeitsrechte mit Monopolcharakter generell auf Vergütungsansprüche reduziert werden, wenn diese im Lichte der widerstreitenden Interessen wirklich vorzugswürdig erscheinen.

Auswüchse des gegenwärtigen Urheberrechts, wonach etwa Tonträger oder Software auf CD-ROM problemlos weiterverkauft werden dürfen, nicht aber digitale Songs oder Volumenlizenzen, will der Forscher so beseitigen. Zudem positioniert er sich mit dem Modell klar gegen die in Brüssel geplante EU-weite Ausweitung der Schutzfristen für Musikkünstler von 50 auf 95 Jahre. Ausgeführt hat Kreutzer seine Thesen, die er am morgigen Freitag auf der Konferenz re:publica in Berlin unter dem Motto "Es kann nur besser werden" vorstellen will, in einer jüngst publizierten Arbeit über Regelungsalternativen zum deutschen Urheberrecht. (Stefan Krempl) / (vbr)