Schäuble: Kritik an Vorratsdatenspeicherung "unberechtigt"

Der Bundesinnenminister hat nach der Großdemo gegen den "Überwachungswahn" die unverantwortliche Erzeugung von Ängsten bei jungen Menschen durch Bürgerrechtsorganisationen und Medien kritisiert.

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Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat nach der Großdemo gegen den "Überwachungswahn" am Samstag in Berlin die "unverantwortliche" Erzeugung von Ängsten bei jungen Menschen durch Bürgerrechtsorganisationen, die "politische Linke" und "gewisse Medien" kritisiert. "Ich halte diese Kritik für unberechtigt", sagte der CDU-Politiker im Interview mit der taz. Dabei bezog er sich auf eine "europaweite Kampagne gegen die Vorratsdatenspeicherung".

Zugleich suchte Schäuble die verdachtsunabhängige Protokollierung der Nutzerspuren mit dem Hinweis zu verteidigen, dass diese "angesichts des 11. Septembers" richtig sei und keine Inhaltsdaten vorzuhalten seien. Zugriffe durch die Polizei auf die Datenberge bedürften einer richterlichen Genehmigung. Bei der "derzeitigen Erregung", die ihn an die Proteste gegen die Volkszählung vor 25 Jahre erinnere, sei es aber schwer, "einer gewissen Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen".

Schäuble drückte seinen Ärger darüber aus, dass viele Demonstranten Plakate und Signets mit seinem Konterfei und der Aufschrift "Stasi 2.0" trugen: "Die Gleichsetzung meiner Person mit der Stasi ist eine Beleidigung." Die Staatssicherheit der DDR habe mehrere hunderttausend Mitarbeiter gehabt, Menschen dazu gebracht, sich gegenseitig zu bespitzeln, und eine "Atmosphäre der Angst" geschaffen. "Wer das mit der Bundesrepublik vergleicht, der diffamiert unsere Freiheitsordnung in einem Maße, wie wir es nicht zulassen dürfen." Eine Frechheit sei es, dass gerade die Linke solche Gegenüberstellungen anstelle. Dahinter sieht der Innenminister "bei manchen" auch einen Versuch, "die Stasi im Nachhinein zu verharmlosen".

Persönlich nehme er den Datenschutz ernst, versicherte Schäuble. Der technisch Fortschritt berge aber zwangsläufig Risiken, wie sie etwa mit großen Datensammlungen einhergehen würden. Man könne ja nicht das Telefonbuch verbieten, nur weil manche mit den darin enthaltenen Informationen Missbrauch treiben: "Das ist doch Maschinenstürmerei." Wer gegen die Vorratsdatenspeicherung sei, wolle die Informationstechnologie und die damit verbundene Anhäufung "bis vor Kurzem nicht einmal vorstellbarer" Datenmengen offenbar ganz abschaffen.

Dass ausgerechnet Konzerne wie die von Datenskandalen geschüttelte Deutsche Telekom Verbindungs- und Standortdaten sechs Monate aufbewahren sollen, bereitet dem Minister zudem keine schlaflosen Nächte. In der Führung des Bonner Unternehmens sei "Sensibilität" in Datenschutzfragen vorhanden. Insofern könne man dem Konzern schon vertrauen.

Skeptisch äußerte sich Schäuble zu den von Datenschützern, großen Wirtschaftsakteuren und den Grünen erhobenen Forderung, den Datenschutz direkt im Grundgesetz zu verankern: "Das weckt Erwartungen, die nicht erfüllt werden könnten." Zudem habe das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bereits aus dem Grundgesetz abgeleitet. Eine darüber hinaus gehende Verfassungsänderung "wäre der Ersatz von faktischem Handeln durch Rhetorik". Für reine Signalwirkungen sei der Grundrechtskatalog ferner "wirklich nicht zuständig".

Zuversichtlich zeigte sich der Verfassungsminister, dass trotz der weiteren Verzögerungen bei den abschließenden Beratungen der geplanten Ausweitung der Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) das entsprechende Gesetzesvorhaben "in Kürze verabschiedet werden kann". "Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken" gegen das Projekt, mit dem unter anderem eine rechtliche Basis für heimliche Online-Durchsuchungen geschaffen werden soll, sehe er nicht.

Zu den Auseinandersetzungen um Überwachung und Datenschutz, um die Terrorismusbekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (vbr)