Kriminaltechnische DNA-Analysen sorgen für Aufruhr

Während hierzulande ein fast schon unglaublicher Skandal um verunreinigte Spurensicherungsbestecke für DNA-Tests aufgearbeitet wird, weisen US-Wissenschaftler auf den großen Erfolg von DNA-Analysen bei der Aufklärung von Eigentumsdelikten hin.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

DNA-Spurensicherungsset der Schweizer Prionics AG

(Bild: Prionics)

Während hierzulande ein fast schon unglaublicher Skandal um verunreinigte Spurensicherungsbestecke für DNA-Tests aufgeklärt wird, erwarten die Verfasser einer jüngst veröffentlichten US-amerikanische Studie zum Einsatz von DNA-Tests bei Eigentumsdelikten künftig eine "Revolution der Strafverfolgung". Grund für die euphorische Haltung sind Ergebnisse einer vom National Institute of Justice finanzierten Feldstudie, in deren Rahmen über zweitausend Fälle von Wohnungseinbrüchen in den USA analysiert wurden. Ziel der Studie: Herauszufinden, ob der Einsatz von DNA-Technik bei der kriminaltechnischen Spurensicherung und -auswertung nach Einbruchdiebstählen (Firmen, Häuser, Wohnungen, Autos) die Aufklärungsrate gegenüber herkömmlichen Methoden steigert. Laut Statistik gab es in den USA im Jahr 2006 fast 2,2 Millionen Einbruchdiebstähle, von denen die Polizei nur 12 Prozent aufklären konnte.

Für die Studie wurden die über zweitausend Fälle aus fünf Regionen der USA nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen unterteilt: Bei der einen Hälfte (1079 Fälle) wurde gesammeltes biologisches Spurenmaterial (beispielsweise Haare, Blut, Speichel, Hautzellen) zusätzlich gentechnisch analysiert und die Daten mit Einträgen der Nationalen DNA-Profil-Datenbank CODIS (Combined DNA Index System) verglichen. In der anderen Hälfte der Fälle (1081) wurde zwei Monate lang zunächst nur mit herkömmlichen Ermittlungsmethoden gearbeitet. Laut der Studie (PDF-Datei) zeigte sich dabei, dass über die Auswertung von DNA-Proben mehr als doppelt so viele Verdächtige identifiziert werden konnten wie mit traditionellen Ermittlungsmethoden. Auch war die Verhaftungsquote bei einem DNA-Abgleich den Angaben zufolge zweimal so hoch wie in der Kontrollgruppe.

Relativ überrascht zeigten sich die Wissenschaftler über die Tatsache, dass Tatverdächtige, die durch Nutzung von DNA-Technik ermittelt werden konnten, deutlich mehr Verhaftungen und Verurteilungen aufwiesen als über herkömmliche Polizeiarbeit ermittelte Verdächtige – was sich aber vor allem darauf zurückführen lässt, dass DNA-Profile in den USA bislang meist nur im Anschluss an Verurteilungen wegen schwerwiegender Delikte erfasst und in der CODIS-Datenbank gespeichert werden. Für die Studienverfasser aber ein Anlass, darauf zu verweisen, dass dieses Phänomen verschwinde, sobald damit begonnen werde, mehr Straftatbestände mit einer verpflichtenden genetischen Erfassung zu verknüpfen oder diese sogar bereits bei Verhaftungen anzuordnen. Eine solche Regelung hatte im vergangenen Frühjahr der damalige Sprecher des Justizministeriums, Erik Ablin, angekündigt.

Was das Sichern von biologischem Material für DNA-Analysen am Tatort angeht, kommen die Studienverfasser zu dem Schluss, dass dafür in der Regel keine speziell ausgebildeten Kriminaltechniker nötig seien. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass von Kriminaltechnikern gesicherte DNA-Spuren zu mehr CODIS-Treffern geführt hätten als von den Ermittlern selbst gesammeltes Material, heißt es in der Studie. Blut- und Speichelproben hätten deutlich häufiger zur Erstellung brauchbarer DNA-Profile geführt als Zellen, die auf angefassten Gegenständen gesichert wurden, führen die Verfasser weiter aus. Auch habe sich gezeigt, dass die Sicherstellung kompletter Gegenstände die Chancen einer DNA-Profilerstellung deutlich erhöhe. Werde ein Gegenstand hingegen nur mit DNA-Spurensicherungssets "abgewischt", sei die Chance zur Gewinnung eines DNA-Profils um 30 Prozent niedriger. Bei Tatorten, die nicht abgeschlossen waren (was in den USA etwa bei Häusern nicht unüblich ist) und die deshalb kein Aufbrechen von Türen oder Fenstern erforderten, war es unwahrscheinlicher, eine brauchbare Probe zu finden.

Eine deutliche Ausweitung der DNA-Analysetechnik würde das Strafverfolgungssystem jedoch vor zahlreiche Herausforderungen stellen, geben die Studienverfasser zu bedenken. So würden etwa die Kosten pro Fall bei einer zusätzlichen DNA-Analyse um durchschnittlich 1400 US-Dollar steigen. Die Identifizierung eines Verdächtigen auf Grundlage von DNA-Analysen berechnen die Wissenschaftler mit zusätzlichen 4500 Dollar. Eine höhere Aufklärungsrate führe außerdem zu einer größeren Belastung von Gerichten und Justizvollzugsanstalten, heißt es weiter. Auch müssten Polizisten geschult werden, potenziell verwertbares DNA-Material an Tatorten zu sichten und zu sichern. Das National Institute of Justice bietet im Übrigen inzwischen einen Online-Crashkurs in Sachen DNA-Spurensicherung an, den auch Nicht-Polizisten nach einer einfachen Registrierung absolvieren können.

Dass der Schuss bei DNA-Analysen manchmal aber auch nach hinten losgehen kann, zeigt der sogenannte Phantom-Fall: Jahrelang suchte die Polizei in Deutschland eine unbekannte Frau, deren DNA an zahlreichen Tatorten gesichert worden war. Allein die Heilbronner Polizei arbeitete rund zwei Jahre lang mit 30 Mann an dem Fall, der von Automaten- und Lauben-Aufbrüchen bis hin zu zum Polizistenmord alles zu bieten hatte. Und überall fand sich der gleiche genetische Fingerabdruck. Erst jetzt stellte sich heraus, dass die Polizeien offenbar Spurensicherungsbestecke für DNA-Tests bezogen hatten, die bereits ab Werk verunreinigt waren. Zwar verdeutlichen Molekularbiologen und Rechtsmediziner, dass es wohl generell nicht möglich sei, die dafür verwendeten Wattestäbchen garantiert ohne DNA-Spuren herzustellen – die fragliche Firma lieferte die Ware aber dennoch zumindest zeitweise mit "garantierter DNase, RNase- und DNA-Freiheit" an die Behörden.

Thomas Feltes vom Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik, Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum warnt unterdessen davor, dass "falsche Treffer" auch in Zukunft nicht ausbleiben werden. Zwar könne man jede Straftat prinzipiell aufklären, wenn man genügend Finanzmittel investiere, sagt Feltes, aber "je mehr sie testen, desto wahrscheinlicher wird es, falsche Treffer zu haben". Problematisch seien etwa eineiige Zwillingen wie kürzlich beim KdW-Einbruch in Berlin – aber auch beispielsweise Knochenmarktransplantationen, die ebenfalls zu falschen Abgleichen kommen können. Noch wahrscheinlicher aber sei es, dass wie im Fall der Phantom-Mörderin "die falsche Spur" aufgenommen wird." Das Bundeskriminalamt will nun zumindest Standards für die Spurensicherungs-Materialien entwickeln, um derartige Phantomfahndungen künftig zu vermeiden. Das National Institute of Justice veröffentlichte entsprechende Standards bereits im Jahre 2000. Sie regeln unter anderem den Umgang mit Referenz-Materialien, die Validierung der Proben unter Berücksichtigung von bereits bekanntem biologischem Material sowie die Kalibrierung von Systemen und Materialien.

In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen (2000 und 2001) den Einsatz von DNA-Tests in der Strafverfolgung grundsätzlich erlaubt, wenn eine richterliche Anordnung vorliegt. Voraussetzung ist jedoch eine vorangegangene Straftat von erheblicher Bedeutung sowie eine Prognose, dass weitere schwere Straftaten folgen könnten. Außerdem ist dies auch bei wiederholten, nicht erheblichen Straftaten wie Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch möglich. Keinen Richtervorbehalt gibt es jedoch für die Untersuchung von unbekanntem Spurenmaterial. Seit 2005 darf gespeichert werden, wenn die Betroffenen dem zugestimmt haben. In Deutschland schwillt der Datenbestand aufgrund dieser "unklaren gesetzlichen Regelung", so die nordrhein-westfälische Landesdatenschutzbeauftragte Bettina Sokol, stark an: Im Dezember 2008 waren bereits fast 750.000 DNA-Identitätsmuster gespeichert. Nach Kontrollen in vier Polizeibehörden verlangte Sokol, dass zehn Prozent der geprüften Daten wieder aus der DNA-Datei zu nehmen seien. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (pmz)