Datenschutz-Selbstverpflichtung der Telecom-Unternehmen ist umstritten

Unter anderem kritisierte der Datenschutzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Joerg Tauss, den Bundesinnenminister: Dieser habe alle Initiativen für einen besseren Datenschutz innerhalb der Koalition abgeblockt.

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  • dpa

Während die einen als Konsequenz aus dem Telekom-Bespitzelungsskandal über schärfere Gesetze streiten, setzt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble derzeit auf eine Datenschutz-Selbstverpflichtung der Branche – und stößt damit ebenfalls nicht auf pure Begeisterung. Vor dem heutigen Treffen von Telekom-Chef René Obermann und der beiden Branchenverbände Bitkom und VATM im Innenministerium kommentierte etwa der rechtspolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Klaus-Uwe Benneter, er halte die Selbstverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen zum Datenschutz für ausgereizt. "Bisher ist es eben für ausgeschlossen gehalten worden, dass die Unternehmen sich hier selbst bedienen, um hier eigene Interessen zu verfolgen", erklärte Benneter im RBB-Inforadio. Nun müsse eine ordnungsgemäße Kontrolle der Datenspeicherung durchgesetzt werden. Benneter sprach sich dafür aus, die Sanktionen zu verschärfen. Einen Stopp der Vorratsdatenspeicherung schloss der SPD-Abgeordnete aus. Zur Kriminalitätsbekämpfung sei die Datenspeicherung weiter notwendig.

Der VATM sieht vor allem die Telekom in der Pflicht, wie Verbands-Geschäftsführer Jürgen Grützner der Frankfurter Rundschau sagte. "Es gibt zertifizierte Sicherheitskonzepte, da gab es in zehn Jahren nie Probleme. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn bei der Telekom etwas schief geht." Nach seiner Einschätzung hat die Telekom mit der illegalen Auswertung von Telefonverbindungsdaten der gesamten Branche massiv geschadet. "Das Vertrauen ist erschüttert, darunter leiden auch Unternehmen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen." Höhere Bußgelder hält Grützner für diskussionswürdig. Bislang beträgt die Höchststrafe 300.000 Euro.

Trotz Zweifeln am Nutzen einer Datenschutz-Selbstverpflichtung der Unternehmen plädierte Schäuble am Sonntagabend im ZDF dafür, zunächst mit den Beteiligten gründlich zu prüfen: "Reichen die gesetzlichen Vorkehrungen? Reichen die institutionellen Vorkehrungen? Kann in der Verantwortung der Wirtschaft, der Unternehmen selbst, besser sichergestellt werden dass die Gesetze eingehalten werden?" Es sei bei dem Gespräch mit Staatssekretär Hans Bernhard Beus nicht mit Ergebnissen zu rechnen, sagte der Innenminister und warnte zugleich vor "Schnellschüssen" bei neuen gesetzlichen Regelungen.

Der Datenschutzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Joerg Tauss, kritisierte Schäuble: Dieser habe alle Initiativen für einen besseren Datenschutz innerhalb der Koalition abgeblockt. "Mit seiner unsäglichen Parole, 'wer nichts zu verbergen habe, brauche auch vor Überwachung keine Sorge zu haben', hat er die Verlotterung des Datenschutzes in Deutschland eingeleitet", sagte Tauss in Berlin. Eine in der Koalition diskutierte Verbesserung des Datenschutzes, unter anderem ein Datenschutzaudit für seriöse Firmen, sei vom Innenministerium mit Hinweis auf "Wirtschaftsinteressen" verhindert worden. Dabei habe sich pikanterweise gerade die Telekom sehr positiv für ein Datenschutzaudit ausgesprochen – "Schäuble war es, der es nicht wollte".

"Wir tun alles, um zu klären, was in diesem Fall wirklich passiert ist", betonte derweil Telekom-Chef René Obermann erneut in der Bild-Zeitung. Ziel sei es, das Vertrauen der Kunden in das Unternehmen zu stärken. Zugleich versuchte er, beunruhigte Kunden der Telekom zu beschwichtigen. "Kundendaten sind unser höchstes Gut", sagte er.

Den Recherchedienst Network Deutschland, der für die Telekom auch die Analyse der Telefon-Verbindungsdaten von Managern, Aufsichtsräten und Journalisten besorgt hat, hat die Telekom nach Informationen des Handelsblatts aber noch vor wenigen Wochen bezahlt. Am 14. Mai, dem Tag vor der Hauptversammlung, seien 174.000 Euro überwiesen worden, berichtet die Zeitung. Der Chef des Unternehmens Network Deutschland, Ralph Kühn, hatte dem Bonner Konzern zwei Wochen zuvor gedroht, die Hauptversammlung massiv zu stören und der Presse mitzuteilen, dass er im Auftrag des Konzerns illegal Telefonate zwischen Aufsichtsräten und Journalisten abgeglichen habe. Kühn drängte darauf, dass die Telekom seine Rechnung von Mitte Februar über insgesamt 650.000 Euro bezahlen solle und ihm darüber hinaus Schadensersatz zustehe.

Das Handelsblatt meldet unter Berufung auf Telekomkreise" die 174.000 Euro seien bezahlt worden, weil damit legale Aufträge beglichen werden sollten. Den nicht bezahlten Rest der Rechnung habe Kühn jedoch für weitere Telefonabgleiche gefordert, obwohl die Telekom derartige Arbeiten schon gar nicht mehr in Auftrag gegeben habe. Kühn sei für eine Stellungnahme nicht zu erreichen gewesen. Die Telekom wollte sich wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft zuerst nicht zu dem Thema äußern, Telekom-Sprecher Mark Nierwetberg bestätigte aber inzwischen die jüngsten Zahlung an Network Deutschland. "Das besagte Unternehmen ist ein Dienstleister für Datenauswertungen aller Art, das von Wirtschaftsunternehmen zum Beispiel für die legale Überprüfung von internen Rechnungsabläufen benutzt wird. Solche legalen Dienstleistungen müssen natürlich auch bezahlt werden", sagte Nierwetberg der dpa.

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(dpa) / (jk)