Der "Fall Edathy": Operation Spade gegen Kinderpornografie zeigt Spätwirkungen

Filme mit "nackten Knaben in natürlichen Lebensposen" bestimmen derzeit die politische Debatte in Berlin. Die technischen Aspekte der Affäre um den ehemalgen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy sind bizarr.

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Von
  • Detlef Borchers
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Sebastian Edathy sieht sich angesichts staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen schweren Vorwürfen ausgesetzt

(Bild: Sebastian Edathy )

Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy soll nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Hannover 31 Film & Fotosets bei der kanadischen Firma Azov Films bestellt haben, gegen die im Zuge der Operation Spade ermittelt wurde. Bei der Bestellung von 9 Filmen sollen die letzten beiden Downloads auf Server des Bundestages erfolgt sein, gab Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich in Hannover bekannt.

Insgesamt ermittele die Staatsanwaltschaft Hannover in 17 bis 20 Fällen auf der Basis von E-Mail-Adressen, die von den kanadischen Behörden übergeben wurden. Dabei habe Edathy mehrere E-Mail-Adressen benutzt, unter anderem Mehrfachnutzer-Mailadressen des Bundestages.

Nach Darstellung des Generalstaatsanwaltes bekam seine Behörde die entsprechenden Ermittlungsakten am 5. November 2013. Zunächst sei die Informationslage noch zu dünn gewesen. Am 28. Januar habe die Staatsanwaltschaft nach Voruntersuchungen den Beschluss gefällt, konkretere Ermittlungen aufzunehmen. Man sei dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass im Sinne der Gleichbehandlung aller potenziell Beschuldigten auch gegen den Bundestagsabgeordneten ermittelt werden müsse.

Ein entsprechendes Schreiben an das Bundestagspräsidium zur Aufhebung der Immunität des Abgeordneten sei dort fünf Tage lang liegen geblieben. Erst am Donnerstag, den 6. Februar, sei es geöffnet worden. Ob die "kaum glaubliche" Verzögerung natürliche Ursachen habe, werde derzeit geklärt.

Weil der Bundestagsabgeordnete zwischenzeitlich seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen erklärt hatte, habe man am Montag, den 10. Februar sofort handeln müssen. Bei verschiedenen Aktionen habe man Beweismittel sichergestellt, wobei das IT-Referat des Bundestages am 11. Februar Filme auf den Servern des Bundestages sicherte. Zudem sei das Bundestagsbüro von Edathy versiegelt worden und werde demnächst untersucht. Angaben über zerstörte Festplatten wollte Ermittlungsleiter Fröhlich nicht bestätigen. Man wisse zudem nicht, wo sich Edathy derzeit aufhalte, habe aber Kontakt mit seinem Anwalt.

Nach Angaben Generalstaatanwaltschaft soll das sichergestellte Material dem "Grenzbereich" der Kinderpornografie zuzuordnen sein. "In den sichergestellten Filmen sieht man nackte Knaben in natürlichen Lebensposen spielen und laufen, wobei der Bezug zu den Genitalien immer erkennbar ist." Allerdings seien keine direkt pornografischen Aktivitäten abgebildet, betonte Fröhlich.

Technisch zählt das gefundene Material damit zur Sparte der "naturistischen Filme", die nach Darstellung des kanadischen Produzenten Azov Films legal sind. "Was Herrn Edathy konkret in diesem Verfahren zur Last gelegt werden kann derzeit, ist die Bestellung von Material der Kategorie 2", erklärte Fröhlich. In diese Kategorie fassen Ermittler die Filme und Bilder zusammen, deren Inhalt nicht eindeutig pornografisch ist.

Fröhlich äußerte sich auch zur Frage, wie die Ermittlungen an die Öffentlichkeit gelangt sein könnten. "Es gab über das BKA Datenabfragen zu hunderten und tausenden von Datensätzen, um über die E-Mail-Adressen jemanden identifizieren zu können. Da waren sämtliche LKA damit beschäftigt, Daten zu ermitteln." Zudem berichtete Fröhlich, dass die Staatsanwaltschaft Hannover schon im November von Edathys Anwalt mit "kryptischen Nachfragen" kontaktiert wurde, ob gegen seinen Mandanten ermittelt werde.

Dass der damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) schon im Oktober 2013 zu Beginn der Koalitionsverhandlungen dem SPD-Chef Gabriel einen Tipp über mögliche Ermittlungen gegen Edathy gab, "der auf einer Liste stehen würde", kommentierte Fröhlich so: "Ich darf nochmals betonen: Wir sind fassungslos." Im Anschluss an die Pressekonferenz gab es eine gemeinsame Erklärung der Berliner und Hannoveraner Staatsanwaltschaften, dass man sich schnell einigen werde, wer denn Ermittlungen zu den Indiskretionen aufnehmen wird.

Diese Erklärung der beiden Behörden gaben offenbar den Ausschlag dafür, dass Hans-Peter Friedrich mit seinem Rücktritt die Konsequenzen aus dem Fall Edathy zog. Zu seinem Rücktritt bemerkte Friedrich, dass er nach wie vor überzeugt davon sei, mit der Informationsweitergabe im Oktober "politisch und rechtlich richtig gehandelt" habe.

[Update 14.02.2014 17:48]:

Im Anschluss an den Rücktritt von Hans-Peter Friedrich dankte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Friedrich für die politische Arbeit und lobte seine aufrechte Haltung. Merkel hob hervor, dass Friedrich in seiner Amtszeit als Bundesinnenminister entscheidende Arbeit bei der Aufarbeitung des NSU-Skandals geleistet habe. "Das gemeinsame Extremismus- und Terror-Abwehrzentrum ist ganz wesentlich sein Werk". Einen Nachfolger oder Nachfolgerin für Friedrich im Amte des Landwirtschaftsministeriums nannte Merkel nicht. Diese Aufgabe sei CSU-Chef Horst Seehofer vorbehalten. (jk)