Der Marktwert der Verbraucherdaten

Ein New Yorker Start-up will die Verbraucher am Geschäft mit ihren Daten mit barem Geld beteiligen. Doch der Deal könnte sich als Bumerang erweisen.

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Von
  • Tom Simonite

Ein New Yorker Start-up will die Verbraucher am Geschäft mit ihren Daten mit barem Geld beteiligen. Doch der Deal könnte sich als Bumerang erweisen.

„Was wir heute haben, ist ein System, in dem der Internet-Nutzer zum Produkt wird, das man anderen verkauft“, hat Netzkritiker Jaron Lanier das Datenschutzproblem schon 2011 auf den Punkt gebracht. Ja, Nutzerprofile sind bares Geld für die Online-Wirtschaft. Das Start-up Datacoup will nun als erstes Unternehmen den Nutzer – immerhin der Ursprung der lukrativen Daten – am Geschäft beteiligen.

Datacoup führt derzeit einen Betatest durch, in dem Nutzer acht Dollar pro Monat bekommen, wenn sie dem Unternehmen Zugang zu den Kontodaten in sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook sowie zu Kreditkartenabrechnungen gewähren. Das in New York City ansässige Start-up destilliert aus diesen Daten Trends heraus, die es an die Wirtschaft verkauft. Das Datenmaterial selbst wird vorher anonymisiert.

Der Gegenwert, den Nutzer bislang für ihre Daten bekommen, sind zahlreiche kostenlose Dienste. Matt Hogan, Mitgründer und CEO von Datacoup, will dieses Modell verändern: „Wenn ein Verbraucher eine durchdachte Entscheidung treffen will, sollte er auch die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, an wen seine Daten verkauft werden.“

1500 Personen hätten sich bislang für den Betatest angemeldet, sagt Hogan. In einigen Monaten soll der neue Dienst für die Allgemeinheit geöffnet werden. Datacoup plant, dann auch Daten aus Lifelogging-Geräten wie dem FitBit-Armband oder aus dem Webverlauf eines Browsers mit in die Datenbasis hineinzunehmen, wenn Kunden das wollen.

Noch hat Datacoup keine Daten an Werbevermarkter verkauft. Die Vorgespräche seien aber schon ermutigend gewesen, versichert Hogan.

Allerdings muss Datacoup schon interessante Erkenntnisse liefern. Denn Nutzerdaten sind in diesen Tagen nicht Mangelware. Hogan will damit punkten, dass er die Kombination aus Onlineverhalten und Kreditkartenkäufen auswerten kann – was bislang nur wenige Werbevermarkter können. „Beide Datenquellen sind für sich genommen schon wertvoll“, sagt Hogan. „Wenn Sie beide übereinander legen, können Sie noch mehr Wert generieren. Aber das geht nur, wenn der Nutzer selbst das zulässt.“

Dass Datacoup auf einer heißen Spur ist, zeigen die Aktivitäten von Twitter und Facebook. Beide arbeiten mit dem Datenhändler Datalogix zusammen, um an eben jene Kombination aus Online- und Kaufdaten heranzukommen.

Die Idee sei schon einige Jahre alt, habe sich bisher aber nicht durchsetzen können, sagt Alessandro Acquisti, Verhaltensökonom an der Carnegie Mellon University. "Ethisch gesehen ist es sinnvoll, wenn Sie wissen, was mit Ihren Daten passiert und wer sie weiterverwendet“, sagt Acquisti. Datacoup schaffe jedoch noch keine Transparenz, denn die Daten, die es von Twitter, Facebook oder Master Card bekomme, würden weiterhin im Besitz der Unternehmen bleiben.

Datacoup-Kunden müssen sich außerdem damit abfinden, dass das Start-up sie nicht vollständig über die Verwendung der Daten aufklärt. Die acht Dollar pro Monat mögen sich erst einmal wie ein einigermaßen fairer Deal anhören. Die Konsequenz könnte jedoch sein, dass ein Einzelhändler einem Datacoup-Kunden künftig die Online-Sonderangebote vorenthält, weil die Kreditkartendaten dessen Kaufkraft enthüllt haben. „Es ist sehr, sehr schwer, den Wert von Tauschgeschäften mit der Privatsphäre zu messen“, sagt Acquisti.

Hogan hält dagegen, dass das Angebot die Menschen überhaupt erst einmal dazu animieren könnte, über den Wert ihrer Daten nachzudenken. Der könnte sie schließlich dazu bringen, von Unternehmen, die persönliche Informationen verkaufen, mehr Transparenz zu verlangen. „Wir sind auf der Seite der Verbraucher“, betont Hogan. „Ich glaube, dass wir den Markt effizienter machen, wenn wir den Menschen die Kontrolle über ihre Daten geben.“ (nbo)