Telekom-Affäre: Schäuble hält Gesetze für ausreichend

Ohne die vom Bundesinnenminister geforderte Selbstverpflichtung der Branche in Sachen Datenschutz endete das Krisentreffen in Berlin. Auch zu den von Branchenvertretern befürchteten gesetzgeberischen Schnellschüssen kommt es wohl nicht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 91 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • dpa

Im Telekom-Skandal sieht Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorerst keinen Bedarf für schärfere Gesetze. "Die Gesetze reichen aus. Wir haben verabredet, dass in den Verbänden jetzt diskutiert wird, welche zusätzlichen institutionellen Vorkehrungen sich in Unternehmen anbieten", sagte Schäuble am heutigen Montag in Leipzig. Im Berliner Innenministerium war es zuvor zu einem Treffen mit den Branchenvertretern gekommen. Die Branche selbst sprach von einem "krassen Einzelfall". Mit der Spitzelaffäre wird sich am kommenden Mittwoch auch der Innenausschuss des Bundestages befassen. Die Opposition forderte erneut schärfere Gesetze und eine Rücknahme der sechsmonatigen Speicherung von Telefon-Verbindungsdaten.

Zu dem Krisentreffen hatte Innen-Staatssekretär Hans Bernhard Beus eingeladen. Daran nahmen die beiden Branchenverbände BITKOM und VATM und zeitweilig auch Telekom-Chef René Obermann teil. Die anderen geladenen Unternehmen waren nicht gekommen. Laut Beus hat man sich darauf verständigt, dass zunächst die Telekom ihre Konsequenzen in die Verbände einbringen soll. Danach soll unter Beteiligung der Bundesnetzagentur, des Bundesdatenschutzbeauftragten und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik erörtert werden, ob auch bei anderen Unternehmen Änderungen nötig sind.

Eine reine Selbstverpflichtung für Unternehmen, Gesetze einzuhalten, wird es Schäuble zufolge nicht geben. "Ich bin dafür, schnell zu handeln. Aber erst muss man prüfen und nachdenken, bevor man redet und entscheidet", sagte der Minister beim Besuch des Olympia-Stützpunkts in Leipzig. Auch die Branchenvertreter halten nichts von Selbstverpflichtungen. Mit genügend krimineller Energie könnten Sicherheitssysteme immer überlistet werden, sagte der Geschäftsführer des Branchenverbandes VATM, Jürgen Grützner. Der BITKOM-Geschäftsführer Bernhard Rohleder beharrte darauf, der Fall Telekom sei ein Einzelfall. Die Branche wolle nicht in Sippenhaft genommen werden. Ihr wertvollstes Gut seien die Daten ihrer Kunden.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar verlangte mehr Vorkehrungen gegen Missbrauch. Zentral sei die umfassende manipulationssichere Protokollierung von Datenzugriffen. Die Telekom hatte zugegeben, dass Verbindungsdaten von Aufsichtsräten und Journalisten ausgewertet wurden, um die Quelle weitergegebener vertraulicher Informationen aufzuspüren.

Schäuble sprach von einer schlimmen Rechtsverletzung. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die schwerwiegenden Vorfälle müssten umfassend aufgeklärt, die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen und eine Wiederholung vermieden werden. Verbindungsdaten von Regierungsmitgliedern wurden anscheinend nicht ausgeforscht. "Ich selber habe darauf keine Hinweise", sagte Wilhelm. Der Bund ist als Großaktionär im Telekom-Aufsichtsrat vertreten.

Gegen Telekom-Konzernbetriebsratschef Wilhelm Wegner wird nach Angaben der Bonner Staatsanwaltschaft derzeit nicht ermittelt. "Er gehört nicht zu den Beschuldigten", sagte eine Sprecherin. Ob sich das noch ändern könne, könne sie nicht sagen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung prüft die Bonner Staatsanwaltschaft, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen Wegner einleitet. Dem Aufsichtsratsmitglied könnte demnach der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Last gelegt werden.

Die SPD dringt auf gesetzliche Schritte zur wirksameren Bekämpfung von Datenmissbrauch. Vor allem der Datenschutz für Beschäftigte müsse verbessert werden, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Wert lege die SPD auch auf mehr Schutz von Informanten, die Missstände aufdecken. Ein entsprechendes Vorhaben der Koalition sei bislang aus der Union blockiert worden, kritisierte Heil.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel warf Schäuble vor, mit immer neuen Vorstößen zur Vorratsdatenspeicherung oder für Überwachungsmaßnahmen selbst zum "verfassungsrechtlichen Grenzgänger" geworden zu sein. Nach Einschätzung des früheren FDP-Innenministers Gerhart Baum sprengt die Spitzelaffäre alle Dimensionen. Die Unternehmenskultur sei "völlig aus den Fugen", sagte Baum gegenüber stern.de.

Schäuble lehnte den von der Opposition geforderten Stopp der Vorratsdatenspeicherung ab: "Davon halte ich gar nichts. Das ist eine EU-Richtlinie, aus der Zeit, wo Teile der Opposition, die das jetzt fordert, in der Regierung waren." Der stellvertretende Telekom-Aufsichtsratsvorsitzende und ver.di-Bundesvorstand Lothar Schröder kündigte im ZDF-Morgenmagazin eine Verfassungsklage an.

Siehe dazu auch:

(dpa) / (vbr)