Opposition lehnt elektronischen Personalausweis geschlossen ab

Bei der 1. Lesung des Gesetzesentwurfs für den biometrischen Ausweis kritisierten FDP, Linke und Grüne die Kompromissformel zur freiwilligen Aufnahme von Fingerabdrücken scharf und sahen die Signaturfunktion skeptisch.

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Bei der 1. Lesung des Regierungsentwurfs für die Novelle des Personalausweisgesetzes am gestrigen Donnerstag im Bundestag prallten die unterschiedlichen Ansichten von großer Koalition und Opposition zu dem Vorhaben frontal aufeinander. FDP, Linke und Grüne kritisierten den Kompromiss zur freiwilligen Aufnahme von Fingerabdrücken scharf und sahen auch die geplante elektronische Signaturfunktion skeptisch. Vertreter von SPD und Union bezeichneten das Vorhaben dagegen als "zukunftsweisend". Einer echten Debatte gingen beide Seiten aus dem Weg: Da der entsprechende Tagesordnungspunkt für nach 21:00 Uhr angesetzt war, gaben die Abgeordneten ihre Reden zu Protokoll.

Für den CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger geht es mit dem Projekt darum, den neuen Personalausweis "vielseitiger nutzbar" und "sicherer" zu machen. Zugleich räumte er ein, dass es sich schon beim derzeitigen Papier um "eines der fälschungssichersten Ausweisdokumente überhaupt" handle. Es solle aber auch Betrügern durch biometrische Kontrollen ein Strich durch die Rechnung gemacht werden, die sich einen echten Ausweis mit dem Lichtbild einer Person besorgen, die ihnen ähnlich sieht. Zugleich betonte Binninger, dass es der Union lieber wäre, wenn neben dem Gesichtsbild auch die Aufnahme zweier Fingerabdrücke wie beim E-Pass verpflichtend vorgeschrieben würde.

Sicherheitsbedenken über das geheime Mitlesen der sensiblen persönlichen Daten bei einer Kontrolle mit Lesegerät bezeichnete der frühere Polizeibeamte als "jenseits aller Realität". Man müsste dazu in nächster Entfernung eine Abhöranlage mit Mikrofonen einrichten und bräuchte leistungsstarke Rechner zu Entschlüsselung der Mitschnitte. Ein "echter Gewinn an Sicherheit" sei zudem die vorgesehene Möglichkeit, sich elektronisch in der virtuellen Welt ausweisen zu können. Dies sei eine wichtige Grundlage für den Ausbau des E-Government.

Für die SPD-Fraktion betonte Frank Hofmann, dass es auch "keine Verpflichtung zur Abgabe von Fingerabdruckdaten durch die Hintertüre geben darf". Aus der freiwilligen Aufnahme der biometrischen Merkmale dürfe "kein Vorteil" etwa durch eine bevorzugte Abfertigung auf den Meldebehörden erwachsen. Wichtig sei ferner, dass die Fingerabdrücke nirgends in den Ämtern gespeichert "und erst recht nicht abrufbar sein" dürften. Eine Manipulation der auf dem kontaktlos auslesbaren Chip im Ausweis vorgehaltenen Daten bezeichnete auch der SPD-Innenpolitiker als "weitgehend ausgeschlossen". Auch das Erstellen von Bewegungsprofilen sei praktisch nicht möglich. Bei den nun anstehenden Beratungen im Innenausschuss sei noch darüber zu diskutieren, wie sicher die geplanten neuen Möglichkeiten etwa zur An- und Ummeldung von Kraftfahrzeugen, zur Online-Bekanntgabe eines Wohnungswechsels oder zur Kontoeröffnung bei einer Bank übers Netz seien und ob sie von den Bürgern überhaupt angenommen würden. Die Antragszahlen für E-Pässe zeigen für Hofmann zudem, dass viele "Vertrauen in die neue Technologie gefasst haben".

Die innenpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Piltz, warnte davor, der Reklame der Koalition für den E-Perso auf den Leim zu gehen: "Der Ausweis wird sehr wahrscheinlich teurer, ein weiterer Sicherheitsgewinn ist nicht zu erwarten und der freiwillige Fingerabdruck führt zu einer Zweiklassengesellschaft." Unverdächtig seien nur noch Bürger, die das biometrische Merkmal dem Staat anvertrauen würden. Der ausgehandelte Mittelweg sei letztlich unverständlich. Entweder brauche der Staat zwingend den Fingerabdruck oder nicht. "Alles andere ist der Einstieg in eine biometrische Totalerfassung, weil ein Aufsatteln jederzeit möglich ist." Über kurz oder lang würden wieder Forderungen nach Einrichtung einer Zentraldatei der Biometriemerkmale aufkommen. Zurecht hätten Aktivisten auf der Großdemo gegen den Überwachungswahn vorige Woche darauf hingewiesen: "Wer heute noch lacht, wird morgen schon überwacht." Bei der Ausweisfunktion fürs Netz könne ferner über staatlichen Bürgerportale, die als Anwendungsszenario gehandelt würden, die Internetnutzung kontrolliert werden.

Laut Jan Korte von der Fraktion der Linken sorgt die freiwillige Speicherung von Fingerabdrücken dafür, dass diese "zu einer begehrten Ware im illegalen Datenhandel werden". Die Debatte in der Koalition lasse die Vermutung zu, dass es sich um eine "Hilfskonstruktion" auf Zeit handle und in naher Zukunft eine Verpflichtung zur Abgabe der Fingerprints und eine zentrale Meldedatei hinzukomme, in der auch diese biometrischen Daten gespeichert würden. Korte monierte weiter, dass die Bundesregierung die Forderung des Bundesrates prüfen wolle, Künstlernamen nicht in das neue Dokument aufzunehmen. Derlei Bezeichnungen seien "die Basis der Identität und des Images" vieler Kreativer.

Als "fast schon satirische Regelung" bezeichnete Wolfgang Wieland, Sprecher für innere Sicherheit der Grünen, die Zusatzfunktion der Aufnahme von Fingerabdrücken. Dafür gebe es keine sachliche Notwendigkeit. Zudem fröne Schwarz-Rot weiter der "Datensammelwut", da das digitale Foto für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten herangezogen werden könne. Über die Vereinheitlichung von Datenspeicherprozessen bei Behörden entstehe ferner faktisch eine zentrale Datenbank, auch wenn die Informationen nicht auf einer Festplatte gesammelt würden. Die Kombination aus Personalausweis und elektronischer Identifikation bezeichnete Wieland als "völlig sinnlos", da entsprechende Signaturfunktionen für den Behördenverkehr bereits verfügbar seien und eine "Light"-Version wenig Sinn mache. Der massenhafte Einsatz eines hoheitlichen Dokuments etwa bei Online-Bestellungen schaffe eher "mehr Sicherheitslücken, als er schließen kann". Die Identifikationsfunktion biete der "Phishing-Mafia" angesichts der löchrigen Schutzvorkehrungen privater PCs ein neues Betätigungsfeld.

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(Stefan Krempl) / (jk)