Kanadas 700-MHz-Spektrum bringt 3,5 Milliarden Euro ein

Das Vorhaben, mit neuen Frequenzrechten den Wettbewerb auf dem hochpreisigen Mobilfunkmarkt anzuheizen, ist gescheitert. Gewinner sind die drei großen Netzbetreiber.

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5,3 Milliarden kanadische Dollar hat die Versteigerung eingebracht, mit der die kanadische Regierung die Frequenznutzungsrechte im 700-MHz-Band für 20 Jahre vergeben hat. Der Betrag entspricht rund 3,5 Milliarden Euro. Annähernd zwei Drittel davon zahlt Marktführer Rogers. Es ist der höchste Erlös einer Frequenzauktion, den es in dem flächenmäßig zweitgrößten Land der Erde je gegeben hat. Wirtschaftspolitisch ist das Ergebnis aber eine Niederlage für die Regierung.

Denn eigentlich hätte die Versteigerung neuer Frequenznutzungsrechte den Wettbewerb fördern sollen. Das rechtliche Umfeld hat es den kleinen Netzbetreibern aber unmöglich gemacht, ausreichend Kapital aufzutreiben. Sie haben an der Versteigerung gar nicht erst teilgenommen. Somit blieben nur die eingesessenen, großen Anbieter als Abnehmer für das neue Spektrum. Sie erfreuen sich hoher Gewinnspannen und haben kein Interesse an großen Netzerweiterungen und günstigeren Tarifen.

Kanada gilt als Land mit den höchsten Mobilfunktarifen der Welt. Gleichzeitig ist die Netzabdeckung bescheiden. Daher verwundert es nicht, dass die Kanadier bei der Mobilfunknutzung hinter anderen großen Industrienationen zurückliegen. Dabei sind sie sehr internetaffin.

Das riesige Königreich hat drei überregionale Anbieter: Rogers, Telus und Mobility Bell. Telus und Bell haben ihre 3G-Netze aber in unterschiedlichen Regionen ausgebaut und stellen sie einander zur Verfügung. Durch Zweitmarken erwecken die drei Anbieter einen Anschein von Wettbewerb. Alle drei sind auch als Festnetzanbieter und im Rundfunk tätig. Sie erfreuen sich hoher Gewinnspannen und haben kein Interesse an stärkerem Wettbewerb.

Die Regierung aber wollte den Markt beleben und versteigerte 2008 Lizenzen an neue Netzbetreiber. Die Firma Public Mobile schnappte sich ein günstiges, weil exotisches Frequenzband und konzentrierte sich auf Toronto mit dem augenscheinlichen Ziel, von einem anderen Netzbetreiber übernommen zu werden. Das gelang; Public Mobile gehört inzwischen Telus.

Der Kabelnetzbetreiber Videotron installierte sein Mobilfunknetz im Wesentlichen im Ballungsraum Quebec City – Montreal – Ottawa. An der wirtschaftlich schwächelnden Ostküste wartete der Kabelbetreiber Eastlink bis 2013 zu und verkauft seine Mobilfunkdienstleistung nun vor allem an die eigenen Kabelkunden. Eine Marktbelebung in dieser Region blieb gänzlich aus.

Die größten Hoffnungen setzten die Kanadier in Mobilicity und Wind Mobile. Diese beiden schlugen ihre Zelte zunächst in den großen Ballungszentren auf und wollten von dort aus das Land erobern.

Das aber musste am regulatorischen Umfeld scheitern. Denn einerseits war es ausländischen Investoren lange verboten, kontrollierenden Einfluss auf kanadische Telecomanbieter auszuüben. Entsprechend gering war das Interesse, zu investieren. Erst 2012 wurde diese Einschränkung ein bisschen gelockert.

Andererseits reagierten die drei großen Mobilfunker Rogers, Telus und Bell auf die neue Konkurrenz. Dort, wo Mobilicity oder Wind aktiv wurden, senkten sie die Preise, in anderen Regionen kassierten sie weiterhin deutlich höhere Tarife. So hielten sie ihre Einnahmen hoch und Mobilicity und Wind klein. Regulierungsbehörden und Regierung sahen tatenlos zu.

Zudem hielten die enorm hohen Preise für Inlandsroaming viele Kanadier davon ab, Kunde eines neuen Anbieters mit geringer Netzabdeckung zu werden. Ergebnis: Mobilicity steht seit September unter Gläubigerschutz, findet aber keinen Investor. Telus würde zwar zugreifen, darf aber nicht.

Der US-Netzbetreiber Verizon überlegte vergangenes Jahr, Mobilicity und Wind zu kaufen und sich an der aktuellen Auktion zu beteiligen. So hätte ein kräftiger, vierter Anbieter etabliert werden können.

Doch die kanadische Regierung dürfte Verizon nicht ausreichend positive Signale geschickt haben. Das US-Unternehmen zog sich wieder zurück. Möglicherweise hat auch eine aggressive Meinungskampagne der drei großen kanadischen Betreiber dazu beigetragen, dass sich die Regierung nicht für den potenziellen Investor stark gemacht hat.

Eastlink und Videotron sind bloß regionale Anbieter, auch wenn Videotron bald ein klein wenig Spektrum im Westen des Landes nutzen darf. Also blieb von den Neueinsteigern nur Wind als jener übrig, der den drei großen Anbietern eines Tages echte Konkurrenz machen könnte. Jedoch hat sich Wind kurz vor Beginn der Versteigerung aus dem Verfahren zurückgezogen. Es mangelte einfach am Geld.

Aufgrund der erwähnten Beschränkungen ausländischer Kontrolle über das Unternehmen liegt Winds Teilhaber Vimpelcom mit der kanadischen Regierung im Clinch. Vimpelcom weigerte sich daher, die Teilnahme der Versteigerung zu finanzieren. Inländische Investoren gibt es kaum, zumal die großen kanadischen Fonds bei Rogers, Telus oder Bell an Bord sind.

Ohne 700-MHz-Frequenzen hängt nun auch über Winds Zukunft eine große dunkle Wolke. Die bestehenden Frequenznutzungsrechte reichen nicht aus. Nächstes Jahr sollen zwar erneut Frequenzrechte unter den Hammer kommen; dann aber im 2,5-GHz-Band, mit dem nur geringe Reichweiten möglich sind. Für einen Flächenausbau ist es ungeeignet.

Also sehen die Kanadier weiterhin teuren Zeiten entgegen. Im jüngsten Weihnachtsgeschäft waren die Mobilfunk-Sonderangebote sogar noch teurer als im Jahr davor. (anw)