China Labor Watch: Europäische Behörden müssen bessere Arbeitsbedingungen in China durchsetzen

Kevin Slaten von China Labor Watch hat zahlreiche Skandale bei Zulieferern von Apple, Samsung und Co. mit aufgedeckt. Im Gespräch mit c't erklärt er, wie Behörden für bessere Arbeitsbedingungen sorgen können und was er vom Fairphone hält.

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c't: Herr Slaten, Ihre Berichte über chinesische Elektronikfabriken sind ein PR-Albtraum für Marken wie Apple und Samsung. Warum geben diese Unternehmen nicht einfach einen Teil ihrer hohen Gewinne dafür aus, diesen Albtraum zu beenden?

China Labor Watch

(Bild: China Labor Watch)

China Labor Watch wurde im Jahr 2000 von Li Qiang gegründet und hat seitdem über 400 Berichte über die Arbeitsbedingungen in chinesischen Textil-, Spielzeug- und Elektronikfabriken veröffentlicht. Die Non-Profit-Organisation schickt freie Mitarbeiter undercover in die Fabriken.

Kevin Slaten: Für diese Marken arbeiten viele schlaue BWLer. Natürlich wissen die, wie man Arbeitszeiten reduziert und Löhne erhöht. Der Grund, warum sie es nicht tun, ist der Druck der Investoren. Sie können nicht einfach ihre Profitmargen reduzieren. In den USA würden sie sogar riskieren, von ihren Investoren verklagt zu werden, wenn sie die Arbeitskosten erhöhen und Margen reduzieren.

Am Ende lastet der Druck der Investoren auf den Arbeitern. Als Apple ein Qualitätsproblem mit dem iPhone 5 hatte, setzten sie sofort Foxconn unter Druck. Das Foxconn-Management setzte die Arbeiter in der Qualitätskontrolle unter Druck. Und die gaben den Druck an die Arbeiter an der Montagelinie weiter. Der Druck war am Ende der Kette so hoch, dass Schlägereien ausbrachen.

c't: Dem Abschlussbericht der Fair Labor Association zufolge hat Foxconn die Arbeitszeiten in der Produktion für Apple reduziert. Also bewegt zumindest Apple sich in die richtige Richtung.

Slaten: Foxconn hat die Arbeitszeiten in einigen Fabriken reduziert. Das zeigen auch unsere eigenen Daten. Aber es gibt eine dunkle Seite, über die Apple nicht spricht. Sie haben ihre Produktion auf weitere Zulieferer wie Pegatron aufgeteilt. Die Arbeitszeiten dort sind so lang wie bei Foxconn vor ein paar Jahren. Das ist ein Schritt zurück.

c't: Klingt frustrierend. Erreichen Sie mit Ihren Berichten überhaupt irgendetwas?

Slaten: Mit den Berichten aus den Fabriken halten wir den Druck auf die Marken aufrecht, transparenter zu werden und zu handeln. 2013 hat China Labor Watch herausgefunden, dass ein Apple-Zulieferer hunderte Studenten nicht korrekt entlohnte. Apple hat sich darum gekümmert, dass sie am Ende doch den vollen Lohn erhielten.

2012 haben wir Samsung dazu gebracht, erstmals öffentliche Versprechen zu Arbeitsbedingungen abzugeben. Sie haben versprochen, die Überstunden bis Ende 2014 auf das chinesische gesetzliche Limit zu reduzieren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel.

c't: Reagieren die Unternehmen oft so konstruktiv?

Slaten: Nein. Ich nenne Ihnen ein typisches Beispiel. Manchmal finden wir heraus, dass ein Zulieferer bestimmte Überstunden nicht bezahlt. Dann sagen wir dem Markenhersteller: 'Wir wissen es, Ihr wisst es. Wann ändert sich das?' Dann sagen die: 'Wir starten einen Prozess, um vielleicht etwas zu ändern.' In den Monaten und Jahren danach werden die Überstunden weiter nicht bezahlt.

c't: Trotz dieser illegalen Praktiken wollen viele Chinesen in diesen Fabriken arbeiten. Offensichtlich sehen sie die Arbeit als Chance.

Kevin Slaten

(Bild: China Labor Watch)

Kevin Slaten, 27, koordiniert in New York die Untersuchungen von China Labor Watch. Er hat nach seinem Politikstudium 18 Monate in Qingdao gelebt und spricht fließend Chinesisch.

Slaten: Das stimmt. Es ist ein Fortschritt für sie. Die meisten sind Wanderarbeiter, die mehr sein wollen als Bauern oder Tagelöhner. Sie wollen Geld an ihre Familien schicken. Aber dafür zahlen sie einen hohen Preis. Eine aktuelle Studie zeigt, dass 60 Prozent der Wanderarbeiter in Shenzhen unter Depressionen leiden. Unter den Einwohnern von Shanghai sind es 20 Prozent. Also: Ja, die Wanderarbeiter wollen in Fabriken arbeiten. Aber das ist keine Ausrede dafür, sie dort zu misshandeln.

c't: Sie konzentrieren sich auf die Unternehmen. Aber in erster Linie ist doch der chinesische Staat dafür verantwortlich, akzeptable Arbeitsbedingungen durchzusetzen?

Slaten: Das ist neben dem Druck durch die Investoren der zweite Grund für die Probleme. China hat einige gute Arbeitsgesetze, aber die werden nicht umgesetzt. Und Arbeiter haben kein Recht, Gewerkschaften zu gründen. Das sind aber langfristige Ziele. Wir können nicht darauf warten, bis sich das ändert.

c't: Was wollen Sie kurzfristig erreichen?

Slaten: Wir haben bereits eine Hotline für die Arbeiter von 110 Fabriken eingeführt und über 4000 Beschwerden bearbeitet. Im nächsten Schritt müssen wir die Kaufkraft der Kunden nutzen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das muss Teil der Kaufverträge werden.

c't: Wie soll das funktionieren?

Slaten: Das ist keine Aufgabe für einzelne Verbraucher. Wenn Sie ein iPhone kaufen, liegt Ihr Hebel bei 600 US-Dollar. Aber der öffentliche Sektor Europas hat einen Hebel von mehreren Milliarden Dollar. Der NGO-Verband Electronics Watch wird die europäischen Behörden zusammenbringen, um diesen Hebel einzusetzen. Die Behörden nehmen Sozialkriterien in ihre Ausschreibungen auf. Die NGOs prüfen dann, ob die Marken das einhalten, was sie in den Kaufverträgen versprechen.

c't: Das machen Zertifikatgeber wie TCO doch bereits heute.

Slaten: Nein. Zertifikatgeber wie TCO oder SAI werden von den Markenherstellern bezahlt und machen Sozial-Untersuchungen für sie. Alle Fabriken, in denen wir schwere Arbeitsrechtsverstöße festgestellt haben, hatten vorher Untersuchungen dieser Art durchlaufen.

Für Electronics Watch werden hingegen die Einkäufer bezahlen, also die Behörden. Ein Netzwerk von NGOs in Ländern wie China, Mexiko und Indonesien wird Untersuchungen durchführen, die sich auf die Arbeiter konzentrieren, nicht auf das Management. China Labor Watch ist kein Mitglied von Electronics Watch, aber wir beraten die Initiative.

c't: Was halten Sie von Fairphone? Ist das eine Möglichkeit für einzelne Verbraucher, Einfluss zu nehmen?

Slaten: Fairphone hat eine ziemlich kleine Fabrik in Chongqing gefunden. Das ist gut, denn eine kleine Fabrik kann man leichter beeinflussen als eine große. Und sie zahlen einen Bonus an die Arbeiter, weil sie keinen Profitdruck durch Investoren haben. Leider gelten die meisten Verbesserungen nur für die Zeit der Fairphone-Produktion, also nur für ein paar Wochen.

Aber Fairphone ist auch sehr transparent. Ich wünsche mir, dass alle Unternehmen so transparent werden.

c't: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Warum arbeiten Sie für China Labor Watch?

Slaten: Der erste Grund ist, dass ich seit sieben Jahren zu Arbeitskämpfen forsche. Aber ich habe auch eine persönliche Motivation. Während meiner Recherchen in China habe ich viele Arbeiter als Freunde gewonnen. Zum Beispiel werde ich ein Interview nie vergessen, das ich mit einem Mädchen in Dongguan geführt habe. Sie arbeitete 15 Stunden am Tag in einer Fabrik, die Samsung-Handys herstellte. (cwo)