Opposition will "hemmungslosen Datenfluss" in die USA verhindern

Politiker von FDP, Grünen und Linken haben sich bei einer Debatte im Bundestag entschieden gegen das Abkommen zwischen Deutschland und den USA zur Bekämpfung schwerer Kriminalität ausgesprochen.

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Politiker von FDP, Grünen und Linken haben sich bei einer Debatte im Bundestag am gestrigen Donnerstag entschieden gegen das Abkommen zwischen Deutschland und den USA zur Verhinderung und Bekämpfung schwerer Kriminalität ausgesprochen. "Der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes wird wieder einmal mehr über Bord geworfen", monierte die Innenexpertin der Liberalen, Gisela Piltz. An die Bundesregierung appellierte sie: "Es wäre uns lieber, Sie würden das Ganze zurückziehen." Das "Ding" gehöre "in den Reißwolf", pflichtete ihr Wolfgang Wieland bei, Sprecher für innere Sicherheit der Grünen. Die Vereinbarung lasse "Daten hemmungslos in die USA fließen".

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatten das von Datenschützern kritisierte und am Mittwoch vom gesamten Bundeskabinett befürwortete Abkommen zusammen mit dem US-amerikanischen Justizminister Michael Bernard Mukasey und dem US-Minister für Innere Sicherheit Michael Chertoff im März unterzeichnet. Die beiden Staaten wollen Informationen zu Personen einschließlich Biometrie- und DNA-Daten austauschen, die dem terroristischen Umfeld zugerechnet werden.

Wieland hob besonders hervor, dass auch Daten über Rasse oder ethnische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse oder sonstige Überzeugungen, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften oder die Gesundheit und das Sexualleben übermittelt werden dürfen, wenn sie "besonders relevant" sind: "Was Sexualdaten mit der Abwehr terroristischer Gefahr zu tun hat, hat niemand hier erklären können." Dass "irrelevante Daten" zur Verfügung gestellt würden, sei generell nicht zu hoffen. Der Grüne sprach zudem angesichts des "Alleingangs der Bundesrepublik" von einem "Affront gegenüber Brüssel". Besonders dreist sei der Aufruf in dem Papier an andere EU-Mitglieder, dem Beispiel zu folgen. Die Oppositionspartei verlangt in einem Antrag (PDF-Datei), den Bedarf für ein solches Abkommen noch einmal zu prüfen und zumindest den Umfang der ausgetauschten Daten sowie ihre Verwendung zu begrenzen.

Piltz zeigte sich vor allem besorgt, weil das Datenschutzniveau in den USA "deutlich niedriger ist" als hierzulande. Polizeidaten könnten dort bis zu 99 Jahre gespeichert werden, eine unabhängige Datenschutzkontrolle gebe es nicht. Die FDP-Fraktion pocht in einer eigenen Eingabe (PDF-Datei) auf "unverzügliche" Nachverhandlungen. Dabei seien für Betroffene subjektive Rechte auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten festzulegen. Außerdem müssten Höchst- und Aussonderungsprüffristen vereinbart werden, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Der Innenexperte der Linken, Jan Korte, hielt die Anträge der beiden anderen Oppositionsfraktionen für sinnvoll. Es sei wichtig, bei einem Sicherheitsabkommen "präventiv für die Bürgerrechte zu wirken" und nicht der "Datenjagd" Tür und Tor zu öffnen. Als zusätzlichen Hauptkritikpunkt nannte er die fehlende nachvollziehbare Definition von Terrorismus im internationalen Raum, was bei derlei Vereinbarungen der Willkür freien Lauf lasse.

Christoph Bergner, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, verteidigte dagegen das Vorhaben gegen den Vorwurf, einen "Ausverkauf an Datenschutz zu betreiben". Die Vereinigten Staaten "bleiben einer unserer wichtigsten internationalen Verbündeten. Wer hier auf Informationsaustausch verzichten will, verschließt die Augen vor der Realität." Das Abkommen enthält dem CDU-Politiker zufolge "eine Reihe von Datenschutzbestimmungen". So werde nach dem Muster des umstrittenen Prümer Vertrags innerhalb der EU ein automatisiertes Austauschverfahren aufgesetzt, bei dem zunächst nur Treffer abgeglichen würden. Weitere Daten müssten per Rechtshilfeverfahren abgefordert werden.

Der Staatssekretär räumte aber ein, dass man sich "an der einen oder anderen Stelle aus datenschutzrechtlicher Sicht noch mehr gewünscht" hätte. So gebe es derzeit nur völkerrechtliche Auskunftsansprüche der Betroffenen, deren Durchsetzung sich "möglicherweise etwas komplizierter" gestalten könne. Die Einzelheiten könnten aber noch "im Zuge der vertragsgesetzlichen Ratifizierung" mit Bundestag und Bundesrat behandelt werden.

Für die SPD-Fraktion kritisierte Wolfgang Gunkel die Datenschutzbestimmungen in den USA. Zugleich zeigte er sich überrascht über das Zustandekommen des Abkommens, "weil das Parlament nicht beteiligt war". Prinzipiell zeigte er sich aber mit dem Austausch einverstanden, das die Daten anders als etwa bei der Vereinbarung zum Transfer von Flugpassagierdaten "nicht ohne Anlass weitergegeben werden". Er zeigte sich auch zuversichtlich, dass die Vorschrift zur Übermittlung der besonders sensiblen persönlichen Informationen "nur in ganz seltenen Fällen zum Tragen kommt". Etwa, wenn ein Gewerkschaftsangehöriger zugleich Mitglied einer konspirativen Terrorvereinigung sei.

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(Stefan Krempl) / (jk)