Bundestag gelobt Besserung beim Datenschutz

Politiker aller Fraktionen sind sich einig, dass die Sicherung der Privatsphäre nach der Telekom-Bespitzelungsaffäre weiter nach oben auf der Tagesordnung rücken sollte, doch umfassende Schritte sind nicht zu erwarten.

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Politiker aller Fraktionen sind sich einig, dass die Sicherung der Privatsphäre nach der Telekom-Bespitzelungsaffäre wieder weiter nach oben auf der Tagesordnung des Parlaments rücken sollte. Während die Opposition aber Druck macht für die schon seit Jahren vielfach geforderte grundlegende Modernisierung des Datenschutzrechts im Lichte des vernetzten Zeitalters, will die große Koalition zunächst nur das geplante Ausführungsgesetz für ein bundesweites Datenschutzaudit vorantreiben. Dies zeigte sich bei einer Aussprache zu den jüngsten  Tätigkeitsberichten des Bundesdatenschutzbeauftragten am gestrigen Donnerstagabend im Bundestag.

"Wir können hier mehr für Datenschutz tun", betonte Jörg Tauss, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, bei der halbstündigen Debatte. Er bedauerte, "dass es eines Skandals wie desjenigen bei der Telekom bedurfte, damit dieses Thema auch öffentlich Konjunktur bekommt". Zum Auditgesetz erklärte der Sozialdemokrat, dass die Koalition "in den nächsten Tagen zusammenkommen und den einen oder anderen Vorbehalt überwinden sollte". Ziel müsse es sein, "denjenigen, die in besonderer Art und Weise deutlich machen, dass sie mit den sensiblen Daten, die ihnen übereignet worden sind, verantwortungsbewusst umgehen", einen Wettbewerbsvorteil gegenüber unseriösen Dienstleistern zu gewähren. Tauss zeigte sich optimistisch, dass "das der beste Weg in Richtung eines besseren Datenschutzes wäre".

Die Innenexpertin der Unionsfraktion, Beatrix Philipp, rügte einerseits "die ungeheure kriminelle Energie bei der Telekom". Ein Datenschutzaudit hätte in dem Fall aber "nichts gebracht", zeigte sie sich wenig euphorisch über das Vorhaben. Eine externe Überprüfung könne immer nur darauf abstellen, dass Gesetze eingehalten werden. Die Schwächen und Fehler des Konzerns hätte aber nur ein Insider aufdecken können. Der CDU-Politikerin wäre es daher am liebsten, Datenschutzverstöße als unlautereren Vorsprung im Wettbewerbsrecht anzusehen und so der Verfolgung durch die Konkurrenz zu öffnen. Der Einführung eines Audits wollte sich Philipp nicht in den Weg stellen, solange dieses "freiwillig und unbürokratisch" bleibe.

Andererseits bezeichnete es die Unionsvertreterin als abenteuerlich, was die Leute über den Staat als Überwachungsinstanz dächten. So sei die Bevölkerung offensichtlich nicht ausreichend "über den engen Rahmen" der geplanten heimlichen Online-Durchsuchungen informiert. Erfreut zeigte sich die langjährige Bedenkenträgerin gegenüber einem bundesweiten Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zudem, dass den Tätigkeitsberichten zufolge den meisten Auskunftsbegehren an die Verwaltung statt gegeben worden sei. Tauss, der mit Auskünften auf eigene Anfragen nach dem IFG unzufrieden ist und den Rechtsweg beschritten hat, befand dagegen: "Es gibt noch einiges zu tun, damit wir zu einer bürgerfreundlicheren, offeneren und transparenteren Verwaltung kommen, was im Sinn des Gesetzgebers war."

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, hielt eine "Fragekultur" in den Behörden für erforderlich. Zugleich warf sie anhand der Datenschutzberichte der Bundesregierung vor, "vor allem eine Antwort auf die technischen Entwicklungen" gefunden zu haben: "möglichst umfassende Überwachung, von der vorwiegend Unverdächtige betroffen sind." So werde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung immer weiter beschnitten. Dem hielt die Liberale entgegen, dass sich der Bundestag "dringend mit den rasanten Entwicklungen bei den Technologien auseinandersetzen und ihnen neue Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz entgegensetzen" sowie die Regierung "endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen" müsse. Das Parlament solle die auch von den Grünen bereits Anfang 2007 ausgerufene "Renaissance des Datenschutzes" einleiten.

Der Innenexperte der Linken, Jan Korte, vermeinte einen "öffentlichen Druck" zur besseren Gewährleistung persönlicher Informationen zu verspüren, "wie es ihn noch nie gegeben hat". Zugleich frischte er gängige Argumente für den Datenschutz auf. Wer "die offene Gesellschaft, den aufrechten Gang, Aufmüpfigkeit und Ungehorsam" wolle, muss ihm zufolge die Privatsphäre sichern und schützen. Dies sei nötig, damit "die Menschen einen Rückzugsraum haben, in dem sie sich zum Beispiel überlegen können, wie sie in der nächsten Woche in der Gesellschaft aufmüpfig agieren".

"Ohne wirksamen und verlässlichen Datenschutz wird das Vertrauen nicht zurückgewonnen werden können", gab auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar, zu Protokoll. Die Widerstände der Wirtschaft gegen ein Datenschutzgütesiegel auf der Grundlage eines staatlichen Datenschutzaudit seien daher unverständlich. Zugleich warnte sie, dass "die immer neuen Sicherheitsgesetze des Staates zu einem immer stärker werdenden Gefühl führen, in einem Überwachungsstaat zu leben". Die geplante Einführung elektronischer Personalausweise sei ein besonders gefährlicher Schritt in diese Richtung. Ihre Kollegen rief sie auf, das Projekt "Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes" in die Hände des Parlamentes zu nehmen und fraktionsübergreifend bearbeiten. Das habe schon beim IFG ganz gut geklappt, auch wenn dort die vielen Ausnahmen von den Auskunftsansprüchen zurechtgestutzt werden müssten. (Stefan Krempl) / (jk)