Aktivisten beklagen ordnungswidrige Videoüberwachung in Hannover

Die Ortsgruppe Hannover des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung brandmarkt in einer "Kunstaktion" die Ineffizienz polizeilicher Videoüberwachung und bemängelt Verstöße gegen die Hinweispflicht auch im privaten Bereich.

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Mit einer ungewöhnlichen "Kunstaktion" hat die Ortsgruppe Hannover des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung nach eigenen Angaben die Ineffizienz polizeilicher Videoüberwachung in der niedersächsischen Landeshauptstadt gebrandmarkt. Die Aktivisten stellten dazu ein auffälliges Schild mit der Aufschrift "Bombe" und einem entsprechenden Warnsignet direkt in das Blickfeld von Überwachungskameras vor dem Justiz- und dem Sozialministerium sowie dem Niedersächsischen Landtag auf. Einer der selbsternannten Künstler agierte dazu verdächtig vor den elektronischen Augen. Das krude, seinerseits in einem Video der Überwachungskritiker festgehaltene Treiben löste keine Reaktionen aus. Die Beschattungsmaßnahmen haben dem Arbeitskreis zufolge demnach "keinerlei präventiven – also strafverhindernden – Charakter" und erfüllen damit ihren gesetzlichen Zweck nicht.

Insgesamt hat der Zusammenschluss von Datenschützern, Bürgerrechtlern und Internetnutzern 35 aktive von insgesamt 77 reklamierten polizeilichen Videoüberwachungsmaßnahmen an öffentlichen Plätzen ausgemacht und deren Standorte in einer Dokumentation (PDF-Datei) veröffentlicht. Außen vor blieben dabei Kameraanlagen, die allein der Verkehrskontrolle dienen. In einer gleichzeitig publizierten Petition an den Landtag fordern die Aktivisten nun eine Überprüfung der Bespitzelungsmaßnahmen und eine sofortige Abschaltung von Systemen, durch die bisher keine Aufklärung oder Abwehr schwerer oder terroristischer Straftaten erfolgt sei. Nur dies sei die gesetzlich festgeschriebene Rechtfertigung der Videoüberwachung. Zudem sei die erforderliche deutliche Kennzeichnung aller aufgestellten Kameras zu gewährleisten, was derzeit nicht der Fall sei.

Weiter sprechen sich die Bürgerrechtler dafür aus, die "personelle defizitäre Situation" bei der Landespolizei, die offensichtlich auch eine zeitnahe Sichtung der Videoaufnahmen verhindere, unverzüglich durch entsprechende Aufstockungen zu entspannen. Nicht zuletzt appelliert die Petition für eine Ende der "Geheimniskrämerei" um die von der schwarz-gelben Landesregierung geplante Einschränkung der Versammlungsfreiheit.

Aber auch bei der Videoüberwachung im privaten Bereich liegt laut dem Arbeitskreis einiges im Argen. Bei einem Rundgang durch den Kernbereich des Zentrums Hannovers in der Georgstraße, Teilen der Karmarschstraße und der Bahnhofstraße stellte die Ortsgruppe in 59 Geschäften die Aktivität elektronischer Kameraaugen fest. Davon sind ihrer Ansicht nach 39 aufgrund mangelnder Kennzeichnung als ordnungswidrig einzustufen. Bei weiteren 13 Betrieben sei die im Landesdatenschutzgesetz verankerte Hinweispflicht nur mangelhaft umgesetzt. Nur sechs würden die durchgeführte Videoüberwachung deutlich und ordnungsgemäß ausschildern.

Auch im Hauptgebäude und am Rechenzentrum der Leibniz Universtität Hannover bemängeln die Datenschützer abschließend eine mangelhafte Kennzeichnung und gesetzeswidrige Anbringung von Kameras. Sie fordern alle Unternehmer und Einrichtungen, die Videoüberwachung betreiben auf, sich über aktuelle Studien zur Effektivität dieser Maßnahme, die damit einhergehende Ausgrenzung sozialer Gruppen und die geringere Bereitschaft von Bürgern zu couragiertem Eingreifen zu informieren. Bestenfalls seien die Anlagen abzubauen. (Stefan Krempl) / (jk)