NSA lauscht mehr als erlaubt

Der technische US-Geheimdienst soll die Telekommunikation in den vergangenen Monaten stärker überwacht haben, als es die gesetzlichen Regelungen zulassen, und auch Kongressangehörige ins Visier genommen haben.

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Die National Security Agency (NSA) soll die Telekommunikation von US-Bürgern in den vergangenen Monaten stärker überwacht haben, als es die gesetzlichen Regelungen zulassen. Dies berichtet die New York Times unter Verweis auf Regierungskreise. Mehrere Geheimdienstexperten und Rechtsanwälte haben demnach bemängelt, dass der technische US-Geheimdienst zu viele Daten sammle und auch beim Mitschneiden von E-Mails und Telefongesprächen über die rechtlich gesetzten Grenzen hinausschieße. Dabei habe es sich um eine systematische Praxis gehandelt, auch wenn zumindest einer der Informanten eine böse Absicht hinter den ungebührlichen Beschnüffelungstätigkeiten ausschließen wollte.

Der technische US-Geheimdienst soll zu viele Daten gesammelt haben und beim Mitschneiden von E-Mails und Telefongesprächen über die rechtlich gesetzten Grenzen hinausgeschossen sein.

Der US-Kongress gestattete im Sommer 2007 der NSA und anderen US-Sicherheitsbehörden mit dem umstrittenen "Protect America Act" das Abhören der internationalen Telekommunikation ohne Richtererlaubnis. Es handelte sich dabei um eine mittlerweile erneut novellierte Übergangslösung zur Neufassung des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA), die von August 2007 bis Februar 2008 in Kraft war. Der weitgehend im Geheimen agierende FISA Court of Review (FISCR) befand im August 2008, dass die Regierung ausreichend Schutzvorkehrungen gegen eine willkürliche Überwachung von US-Bürgern im Anti-Terrorkampf getroffen habe. Beim Beschatten der eigenen Bevölkerung sei teils erst eine Richtergenehmigung einzuholen.

Dem Bericht nach sollen die Probleme aber genau bei der Unterscheidung zwischen der Telekommunikation liegen, an der US-Bürger beteiligt sind, und bei der sie außen vor bleiben. Da sich die NSA direkt bei den Glasfaserleitungen von US-Providern einklinke und mit ihren eigenen Spionagesatelliten Millionen von Anrufen, Faxen und E-Mail-Nachrichten einsauge, könne sie kaum zwischen einem rein in Übersee stattfindenden Informationsaustausch und einem solchen unter Einschluss von US-Bürgern unterscheiden.

Die rechtlichen und operativen Schwierigkeiten des NSA-Abhörprogramms werden in jüngster Zeit verstärkt durch die US-Regierung, Geheimdienstausschüsse im Kongress und das FISA-Sondergericht untersucht. Dabei soll ein FBI-Agent NSA-Mitarbeitern "schweres Missverhalten" vorgeworfen haben. So würden auch Amerikaner ohne ausreichenden Terrorverdacht ins Überwachungsnetz geraten. Anderen Erkenntnissen nach wollte der Geheimdienst selbst ein Mitglied des Kongresses ohne richterliche Anordnung abhören, das an einer Delegation in den Mittleren Osten teilgenommen und dabei Kontakt zu Extremisten gehabt habe. Das Vorhaben sei aber in letzter Minute gestoppt worden.

Das US-Justizministerium hat mittlerweile zugegeben, dass Aktivitäten der NSA "Bedenken erregt" hätten. Es seien aber umfassende Schritte zur Bereinigung der Situation unternommen worden, um das Lauschprogramm wieder auf den Boden der rechtlichen Möglichkeiten zurückzuführen. Die NSA selbst betonte, dass ihre Aufklärungsoperationen "strikt in Übereinstimmung mit US-Gesetzen und Bestimmungen" ausgeführt würden. Die Untersuchungen der Abhörpraktiken im Kongress und in Regierungsbehörden dauern dennoch weiter an. (Stefan Krempl) / (jk)