Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie stockt

Laut den Brüsseler Vorgaben müssen Länder und Kommunen einheitliche Ansprechpartner und Kommunikationsinfrastrukturen für die elektronische Abwicklung von Dienstleistungen schaffen, doch das IT-Projekt kommt kaum voran.

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Gemäß der Mitte 2006 verabschiedeten EU-Dienstleistungsrichtlinie (PDF-Datei) müssen Länder, Kommunen und Kammern einheitliche Ansprechpartner und sichere Kommunikationsinfrastrukturen für die EU-weite elektronische Abwicklung von Dienstleistungen bis Ende 2009 schaffen. Doch das damit verknüpfte große IT-Projekt kommt aufgrund schwieriger Rahmenbedingungen nur schleppend voran. "Wir bewegen uns derzeit im Treibsand und versuchen uns selbst herauszuziehen", räumte Erwin Schwärzer, Leiter des Projekts Deutschland Online von Bund und Ländern zur Umsetzung der Brüsseler Vorgaben, am Mittwoch auf der Konferenz "BürgernaheSicherheitskommunikation für Städte und Gemeinden" in Bezug auf noch fehlende Vorgaben bei Ländern und Kommunen ein. Die Politik im In- und Ausland habe "viele Fragen noch nicht beantwortet" und die bisherige eineinhalbjährige Umsetzungsfrist größtenteils "ungenutzt verstreichen lassen".

Es gehe nicht nur darum, eine einzelne Anlaufstelle auf Länderseite etwa für einen Fliesenleger aus Portugal oder Schottland zu schaffen, der sich hierzulande niederlassen wolle, beschrieb der Ministerialrat im baden-württembergischen Innenministerium die Herausforderungen auf der vom Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie von der Alcatel-Lucent-Stiftung organisierten Veranstaltung. Vielmehr habe dieser auch den Anspruch, auch mit allen zuständigen Behörden, Kammern und sonstigen Institutionen elektronisch zu kommunizieren. "Das ist noch nicht bei allen angekommen", fürchtete Schwärzer. Die größte Unsicherheit bestehe, weil alle Länder außer dem gemeinsam mit Baden-Württemberg federführenden Schleswig-Holstein die zentralen ersten Ansprechpartner noch nicht benannt hätten. Im hohen Norden sei dafür eine eigene Anstalt unter Beteiligung von Land, Kammern und Kommunen gegründet worden.

Ziel der Richtlinie ist es, allen Unternehmen und Unternehmensgründern in der EU die gleichen Bedingungen für ihre Geschäftstätigkeit im Binnenmarkt zu gewährleisten und bürokratische Hindernisse abzubauen. Im Rahmen der Umsetzung soll ein flächendeckendes Koordinationsnetz geschaffen werden. Jeder Antragsteller soll über eine zentrale Stelle alle nötigen Verfahren und Formalitäten etwa für eine Gewerbeanmeldung online über das Internet abwickeln können. Dazu müssen umfassende Informationen bereitgestellt und E-Government-Funktionalitäten angeboten werden.

Die eigentlich zuständigen Länder wollen nun mit dem Bund bis Anfang September eine Blaupause für die IT-Umsetzung der Vorgaben erarbeiten. "Wir werden die infrastrukturellen Anforderungen definieren, eine service-orientierte Referenz-Architektur aufbauen und dabei technische Standards und Schnittstellen vorschlagen", erläuterte Schwärzer das Vorhaben. Es gehe darum, "die Dinge richtig zu vernetzen und dafür rechtliche Voraussetzungen schaffen". Dafür müsse vor allem das Verfahrensrecht geändert werden. Die technischen Anforderungen sollten "hersteller- und produktneutral" sein. Möglichst sollten zugleich bis 2012 alle Prozesse zwischen den Behörden medienbruchfrei und papierlos abgewickelt werden.

Den Schwerpunkt des IT-Einsatzes sieht der Projektleiter zunächst bei der Informationsbereitstellung für ausländische Dienstleister. "Wir favorisieren landesweite Portale mit Behörden-Wegweisern und Information über alle Verwaltungsverfahren, Formulare und Online-Dienste", führte Schwärzer aus. Dazu kommen solle eine Vorgangsbearbeitung mit den zuständigen Behörden. Generell wolle man das Projekt "m Sinne eines One-Stop-Government sehen". In der Konzeption sei dabei auch ein "selbstverantworteter Dokumentensafe", bei dem die Themen Datensicherheit und des Datenschutzes besonders groß zu schreiben sei.

Darüber hinaus müssen laut Schwärzer aber auch Infrastrukturen für elektronische Signaturen und Identitätsmanagement "flächendeckend" vorhanden sein. Die sichere Zustellung von Anträgen etwa müsse im In- und Ausland gewährleistet sein, die Kammern in bestehende sichere Verwaltungsnetze eingebunden werden. Letztlich werde die Vernetzung mit entsprechenden Fachverfahren über eine Service Oriented Architecture (SOA) angestrebt. Man stehe auch in Kontakt mit dem Projekt 115 für eine bundesweit einheitliche Behördennummer.

Verzögerungen sind Schwärzer zufolge nicht mehr zu umgehen: Bestehende Pilotprojekte in Richtung übergreifendes Identitätsmanagement in Wissenschaft und Wirtschaft etwa hätten leider den "Charme", bis 2009 nicht fertig zu sein. Man müsse daher "weiche" Einstiegspunkte in die Zielarchitektur definieren, um ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission zu vermeiden. Andere Mitgliedsstaaten stünden aber nicht besser da. So sei aus Belgien zu hören gewesen, dass man bis 2009 eh nicht fertig werde und daher gar nicht erst anfange mit der fristgerechten Umsetzung. In Italien wiederum sei das Motto ausgegeben worden, dass es auf ein Verletzungsverfahren mehr oder weniger nicht ankomme. (Stefan Krempl) / (jk)