Gericht verweigert Verwertung von P2P-Nutzer-Ermittlungen

Im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Verfügung gegen einen Tauschbörsennutzer hat das Landgericht Frankenthal die Providerauskunft zu einer dynamischen IP-Adresse nicht als Beweis im Zivilverfahren anerkannt.

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Von
  • Holger Bleich

Ein Beschluss (Az. 6 O 156/08 vom 21. Mai 2008) des Landgerichts (LG) Frankenthal zum Thema Tauschbörsen und Abmahnungen dürfte unter Juristen für jede Menge Diskussionsstoff sorgen. Im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Verfügung gegen einen Tauschbörsennutzer hat das Gericht die Providerauskunft zu einer dynamischen IP-Adresse als Beweis im Verfahren nicht anerkannt.

Die Antragstellerin, ein Hersteller von Computerspielen, hatte wie üblich Strafanzeige gegen einen Tauschbörsennutzer gestellt. Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft Ravensburg Anfang 2008 bei der Telekom anhand der ermittelten dynamischen IP-Adresse die persönlichen Daten des Dateitauschers ermittelt und diese im Rahmen der Akteneinsicht an das Unternehmen übergeben. Der Hersteller mahnte den P2P-Nutzer ab, dieser weigerte sich jedoch, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.

Den darauffolgenden Antrag auf einstweilige Verfügung wies das LG Frankenthal nun wegen verfassungsrechtlicher Bedenken ab. Die von der Antragstellerin übermittelten Daten seien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verwertbarkeit von unter Verletzung von Grundrechten erlangten Beweismittel nicht verwertbar, so die am gestrigen Mittwoch nachgereichte Begründung der Richter aus Frankenthal.

In seiner Argumentation nimmt das Gericht insbesondere Bezug auf eine Einstweilige Anordnung der obersten Verfassungshüter von März 2008. Derzufolge komme "eine Übermittlung von erhobenen Telekommunikationsdaten vom Anbieter der Telekommunikationsdienstleistung an staatliche Behörden nur dann in Betracht, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat ist." Andernfalls unterfallen "diese sehr sensiblen Daten dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses", das grundrechtlich garantiert ist.

Der stets herangezogenen Argumentation von Anwälten der Medienindustrie, nach der es sich zwar bei den dynamisch vergebenen IP-Adressen um sensible Verkehrsdaten handelt, die beim Provider abzufragenden Daten wie Name und Adresse des Beschuldigten aber erheblich geringer geschützte Bestandsdaten sind, erteilte das Gericht eine Absage. "Dynamische Adressen haben einen relativen Personenbezug", heißt es in der Begründung. Ohne die Auskunft des Providers seien die vom Antragsteller ausgespähten IP-Daten "ein technisches und rechtliches Nullum, mit dem niemand etwas anfangen kann". Erst die begehrte Auskunft führe zur Individualisierung und damit zum Bruch des Fernmeldegeheimnisses.

In ersten Kommentierungen bezweifeln einige Rechtsexperten die vom LG Frankenthal vertretene Rechtsauffassung. Die Argumentation greife schon deshalb nicht, weil das Bundesverfassungsgericht in seinem Eilentscheid nur auf die wegen der Vorschrift zur Vorratsdatenspeicherung erhobenen Daten abziele, es aber im Verfahren um IP-Daten ging, die die Telekom aufgrund der Systemsicherheit für sieben Tage sichere. Zwar handelt es sich um ein und dieselben Daten, sie sind aber vom Provider unterschiedlich deklarierbar.

Mit der Entscheidung aus Frankenthal ist nun eingetreten, was Fachjuristen bereits angekündigt hatten: Das Bundesverfassungsgericht sorgt mit seiner Anordnung bis zur endgültigen Entscheidung, die erst im Herbst dieses Jahres erwartet wird, für Konfusion bei Rechtvertretern und Richtern. Die Entscheidung des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig; Die Antragstellerin hat nun die Möglichkeit, gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberlandesgericht einzulegen. (hob)