Digitaler Engel statt großem Bruder
Bis Ende des Jahres will eine nordamerikanische Internet-Firma eine in den menschlichen Körper zu implantierende Datenübertragungseinheit entwickeln.
Bis Ende des Jahres 2000 will der nordamerikanische Internet-Dienstleister Applied Digital Solutions den Prototyp einer in den menschlichen Körper zu implantierenden Datenübertragungseinheit entwickeln. Die als Digital Angel bezeichnete Sende- und Empfangseinheit soll mit einer elektromechanischen Energieversorgung ausgestattet sein, die den notwendigen Strom für das Gerät aus Muskelbewegungen des Körpers gewinnt. Die Einheit soll an das satellitengestützte "Global Positioning System" GPS angebunden werden, das den Träger des Geräts jederzeit lokalisieren könne, erklärte Applied Digital Solutions.
Chefentwickler Peter Y. Zhou sieht unterschiedliche Anwendungszwecke für den implantierbaren Sender: Das Sicherheitsproblem beim E-Commerce könne damit ebenso gelöst werden wie die Aufgabe einer effizienter Überwachung von Strafgefangenen oder teuren Kunstwerken. Wegen seiner enormen Sensibilität und der großen Übertragungsleistung soll die neue Technik aber vor allem im medizinischen Bereich zum Einsatz kommen und bestimmten Risikopatienten implantiert werden. (Erläuterungen zu dem Projekt finden sich in einem Telepolis-Beitrag.)
Die Forschungsvisionen von Applied Digital Solutions treffen sich mit den Prognosen von Sun-Chef Scott McNealy, der auf der eben beendeten Consumer Electronics Show in Las Vegas die totale Vernetzung forderte. "Alles, was einen elektronischen Herzschlag haben kann, sollte verbunden werden", sagte der Workstation-Tycoon. Er selbst habe kein Problem damit, seinem Kind einen Computerchip zu implantieren, um ständig darüber informiert zu sein, wo es sich befinde. Auch sein Auto will McNealy aus Sicherheitsgründen mit einem Chip ausstatten. Journalisten, die dem Sun-Wagenlenker Kontrollwahn vorwarfen, entgegnete er: "Manche Leute nennen sowas Big Brother, ich nenne es 'Vater sein'." Bereits vor einiger Zeit hatte McNealy Schlagzeilen gemacht mit seiner Äußerung: "Es gibt keine Privatsphäre, findet Euch damit ab."
Die Realität hinkt den Sun-Visionen allerdings noch hinterher: Die Vernetzungslösungen für die "Connected Family", die Sun in Kooperation mit Firmen wie Bosch, Siemens, Oracle, Motorola und Cisco in Las Vegas präsentierte, funktionierten nur unzureichend. (mbb)