Sicherheitsexperte: IP-Bereiche krimineller Anbieter direkt an Polizei übertragen

Eine neue Arbeitsgruppe des Reseaux IP Européens (RIPE) befasste sich in Dubai mit der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgern und IP-Adressverwaltungen.

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  • Monika Ermert

Wie können IP-Adressverwaltungen und Strafverfolgungsbehörden besser zusammenarbeiten? Mit dieser Frage beschäftige sich eine neue Arbeitsgruppe "Kooperation" des Reseaux IP Européens (RIPE) in Dubai. Angesichts einer regen Nachfrage der Behörden empfahl Paul Hoare von der britischen Serious Organized Crime Agency (SOCA) in der ersten Sitzung den RIPE-Mitgliedern, darüber nachzudenken, ob IP-Adressen von kriminellen Providern nicht direkt an die Behörden übertragen werden könnten.

Die Behörden könnten durch eine solche Zuweisung die entsprechenden Adressbereiche als eigene annoncieren, um die Routen entsprechend umzubiegen. "Sicherlich wird noch ein Teil des Datenverkehrs trotzdem in dem kriminellen Netz verbleiben", sagte Hoare gegenüber heise online. "Aber einen Teil des Verkehrs können wir doch umleiten" – und damit würde das kriminelle Netz immerhin behindert.

Hoare leitete seine Empfehlungen (Powerpoint-Datei) von eigenen Erfahrungen mit dem berüchtigten Russian Business Network (RBN) ab. Es habe als RIPE-Mitglied einen Adressbereich erhalten und dann zum Hosten diverser krimineller Aktivitäten genutzt, sagte der britische Ermittler. Hoare schlüsselte die von der SOCA beobachteten Straftaten, die seine Behörde auf einem kleinen Teil der RBN-Adressen beobachtet hat, nach Kategorien auf: Das Verteilen von Malware machte 55 Prozent aus, der Vertrieb von Kinderpornographie 33,5 Prozent und das Hosten von Botnetzen 0,3 Prozent.

Die Strafverfolgungsbehörden hoffen durch die Mitarbeit der Adressverwalter auf raschere Ergebnisse in ihren "Fällen". "Geht man den Weg über Rechtshilfeersuchen, kann dies sehr sehr lange dauern", bestätigte einer der zum RIPE-Treffen angereisten FBI-Vertreter. Ein besserer Weg wäre der direkte Weg zu den Kollegen bei der niederländischen Polizei. Diese ist für das RIPE NCC, das seinen Sitz in den Niederlanden hat, zuständig.

Bei den RIPE-Mitgliedern und den hauptamtlichen Adressverwaltern in Amsterdam stoßen die Vorschläge auf einige Skepsis. Malcolm Hutty vom Londoner Internet Exchange (LINX) warnte, dass der mögliche direkte Durchgriff auf das RIPE NCC zu Problemen im Verhältnis zwischen den Regierungen führen könnte. Britische Vertreter mehrerer großer Anbieter von Onlinespielen, die im Königreich legal seien, müssten dann um ihre Adressressourcen fürchten, denn anderswo gelte das "Gambling" als illegal.

Verschiedene Vertreter des RIPE NCC warnten, die Adressverwaltung könne nicht zum Richter und gleich auch noch Sheriff gemacht werden. Solange ein Mitglied Rechnungen bezahle und bei der Adressverwaltung keine Hinweise darauf vorliegen, dass mit den Adressen kriminell agiert werde, seien Schritte gegen ein Mitglied schwierig. Im Fall des für das RBN nach Ansicht der Behörden tätigen RIPE-Mitglieds liegen so nach Aussage von RIPE-NCC-Geschäftsführer Axel Pawlik keine entsprechenden Informationen aus den Behörden vor.

Experten der Adressverwaltung weisen zudem darauf hin, dass eine Herausnahme der zugewiesenen Adressblöcke aus der RIPE-Datenbank zunächst keinen Einfluss auf das Routing der Adressen habe. Die Möglichkeit, an Adressressourcen gebundene Zertifikate für ungültig zu erklären, eröffne für die Zukunft möglicherweise aber doch einen direkten Einfluss der Adressverwalter auf das Routen von Adressen. Letztlich liege aber auch in diesem Fall die Entscheidung bei den Providern. Nur wenn diese den zertifizierten Status für ihr Routing übernehmen, wäre ein direkter Durchgriff möglich. Skeptische Beobachter warnten beim RIPE-Treffen in Dubai vor den möglichen Konsequenzen.

Die in Dubai anwesenden wenigen Behördenvertreter hoffen auf eine gute Zusammenarbeit, nicht nur mit den IP-Adressverwaltern. Beim Treffen der Domainverwalter, der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, im kommenden Jahr, wollen sich zum zweiten Mal Vertreter von Strafverfolgungsbehörden zum Meinungsaustauch mit der dortigen "Community" treffen. Dies allerdings wohl hinter verschlossenen Türen und in größerer Zahl. (Monika Ermert) / (anw)