Internet-Zensur: Gefängnis für immer mehr Blogger

Laut dem World Information Access-Report hat sich die Zahl der inhaftierten Blogger allein im vergangenen Jahr verdreifacht. Insgesamt sollen 64 Betreiber von Webjournalen seit 2003 rund 940 Monate im Knast verbracht haben - bei wohl großer Dunkelziffer.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 66 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Vor allem autoritäre Regime gehen verstärkt mit drakonischen Mitteln gegen "Bürger-Journalisten" vor. Dies geht aus dem "World Information Access"-Report der University of Washington in Seattle hervor. Der Untersuchung einschlägiger Medienberichte zufolge hat sich die Zahl der offiziell gemeldeten inhaftierten Blogger allein im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2006 auf 36 verdreifacht. Insgesamt sollen 64 Betreiber von Webjournalen seit 2003 rund 940 Monate im Knast verbracht haben. Die durchschnittliche Haftstrafe habe bei 15 Monaten gelegen. Die Forscher warnen zugleich, dass die Dunkelziffer allein aufgrund nicht zu bestätigender Hinweise über hunderte eingekerkerte Weblogger in Burma groß sein könnte.

Am häufigsten droht "Citizen Journalists" das Kittchen in Ostasien und im Mittleren Osten. "Ägypten, Iran und China sind die gefährlichsten Orte, um über das politische Leben zu bloggen", erläutert der Forschungsleiter, Phil Howard, die Ergebnisse der Medienanalyse. Die Regierungen und Behörden dieser drei Länder seien für die Hälfte der Verhaftungen verantwortlich, "seit das Bloggen eine große Sache geworden ist", weiß der Kommunikationsprofessor. Als Reaktion auf die Unterdrückung seien viele Bürger-Journalisten auf anonymes Bloggen umgestiegen oder würden undurchsichtigere Web-2.0-Seiten wie MySpace oder YouTube nutzen.

Als Grund für das harsche Einschreiten sehen die Forscher die zunehmende Bedeutung von Weblogs als Informationsmedien. Immer mehr Bürger würden ihre Gedanken und Sichtweisen in Online-Journalen darstellen, den politischen Prozess kommentieren oder sogar Berichte, Fotos und Videos über soziale Proteste ins Netz stellen. Dabei würden auch Bürgerrechtsverletzungen, Korruptionsfälle oder Unzufriedenheit mit den politischen Systemen dokumentiert, was die Aufmerksamkeit der herrschenden Klassen auf die Blogger gelenkt habe.

In demokratischen Ländern hängen Verhaftungen von Bürger-Journalisten in der Regel dem Bericht zufolge mit strafrechtlichen Vergehen wie dem Verbreiten von Kinderpornographie oder rassistischen Äußerungen zusammen. Aber auch dort seien Blogger bereits für Aktivitäten, die viele Beobachter vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sähen, festgenommen worden. So sei der Kanadier Charles Leblanc etwa nach einem Fotoreport über eine Protestkundgebung verhaftet worden.

Dass die politische Bedeutung interaktiver Webdienste wächst, unterstreicht derweil auch eine aktuelle Studie des Pew Internet & American Life Project zum Netz im US-Wahlkampf 2008. Von den über 2000 repräsentativ befragten US-Amerikanern haben sich demnach 35 Prozent online politische Videos angesehen, was eine Verdreifachung gegenüber 2004 darstellt. 10 Prozent nutzten soziale Netzwerke, um sich zu informieren oder an Wahlkampagnen teilzunehmen. Zweidrittel der Teilnehmer an der Studie unterhielten eigene Profile auf Community-Seiten, die Hälfte davon publizierte dort auch Mitteilungen der Wahlkämpfer. Sechs Prozent haben nach eigenen Angaben übers Netz für einen Politiker gespendet.

Insgesamt haben 46 Prozent der US-Bürger über das Internet Informationen über das aktuelle Rennen um das Weiße Haus bezogen oder sich online darüber ausgetauscht. 19 Prozent beschäftigten sich einmal die Woche online mit dem Präsidentschaftswahlkampf, sechs Prozent täglich. Zehn Prozent schreiben E-Mails, um sich in die politische Debatte einzubringen. 28 Prozent der politisch im Netz aktiven fühlten sich stärker persönlich mit einer Kampagne verbunden als über Offline-Medien. (Stefan Krempl) / (jk)