Deutschland als "Paradies" für Spiele-Entwickler gelobt

Die Computerspiele-Branche zeigt sich auf den Deutschen Gamestagen recht unbeeindruckt von den Debatten über ein Verbot von "Killerspielen", doch Forscher werfen ihr mangelndes gesellschaftliches Bewusstsein vor.

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Die hiesige Computerspiele-Branche zeigt sich auf den Deutschen Gamestagen weitgehend unbeeindruckt von den immer wieder aufkochenden Debatten über ein Verbot von sogenannten "Killerspielen". Am Dienstagabend wurde die dreitägige, die Entwicklerkonferenz "Quo vadis" einschließende Veranstaltung in Berlin eröffnet.

Die jüngste Diskussion nach dem Amoklauf von Winnenden sei "reifer" geführt worden, freute sich Heiko Fischer von der Frankfurter Softwareschmiede Crytek über Anzeichen für einen Wandel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Computerspielen. Es seien auch von der Mehrzahl der Politiker die richtigen Fragen gestellt worden, etwa nach den im Haus des Täters aufbewahrten 9000 Schuss Munition oder der Ursache, warum sich ein für ihn altersmäßig nicht freigegebenes Spiel auf seinem Rechner gefunden habe. Nervend findet Fischer aber den doch immer wieder durchklingenden Rechtfertigungsdruck, warum Crytek Ballerspiele wie "Far Cry" produziere. Da müsse man dann schon erwidern dürfen, dass sich entsprechende Games etwa auch in Budapest herstellen lassen. "Ich führe nicht gern Debatten über Killerspiele", ergänzte Klaas Kersting von der Karlsruher Gameforge AG. "Aber ich bin zufrieden, wenn mich die Politik in Ruhe lässt." Generell sei Deutschland ein "Paradies" für die Branche. Gameforge selbst sei mit der Programmierung von Online-Spielen, die inzwischen in 54 Sprachen angeboten würden, "seit dem ersten Tag profitabel". Allein in diesem Krisenjahr wolle man noch 200 neue Mitarbeiter einstellen.

Dass Computerspiele bei vielen Beobachtern noch Ängste auslösen, hält Kersting für verständlich. Games hätten den "Weg zum Massenmedium" in relativ kurzer Zeit zurückgelegt und dabei die Gesellschaft "ein Stück weit überrollt". Von einer "Buhbranche" könne aber nicht mehr die Rede sein. Daddeln habe sich in den vergangenen Jahren zum "Massenphänomen" entwickelt. Dies habe den Vorteil, dass man es "nicht mehr so einfach verteufeln kann".

"Die Branche kommt langsam in die Mitte der Gesellschaft an, wir werden ernster genommen", spürt auch Klemens Kundratitz, Geschäftsführer von Koch Media Deutschland, einen Imagewandel. "Wir haben auch Shooter in unserem Sortiment, sind erfolgreich damit und stolz darauf", betonte der auch im Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) aktive Unternehmer. Für die Zielgruppe sei diese Form der Unterhaltung "sehr wichtig". Der Gesetzgeber stehe den Entwicklern dabei auch nicht wirklich auf den Füßen. Die größere Herausforderung für deutsche Produzenten sei es, aus der noch weit verbreiteten "Heimwerkerindustrie-Mentalität" herauskommen: "Wir müssen international stärker mithalten."

Der Mainzer Spiele- und Medienwirkungsforscher Christoph Klimmt befand dagegen, dass die Selbstdarstellung der Entwicklungshäuser als Vertreter einer "hochprofessionellen Entertainment-Branche" zu kurz greife. "Sie liefern nicht nur Spaß und Experience, sondern verpacken auch Inhalte", forderte er ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein ein. Bei vielen Spielefiguren und Rahmenhandlungen vermisse er eine Auseinandersetzung über deren gesellschaftlicher Bedeutung. Die negative Zeichnung von Menschen aus dem Mittleren Osten in den meisten Shootern etwa sei für die Ausbildung persönlicher Einstellungen "unglaublich" relevant.

Amokläufe bezeichnete Klimmt für seine Zunft als "großes Problem", weil sie den Blick verstellen würden für die eigentlichen gesellschaftlichen Effekte von Computerspielen. Einfache Kausalzusammenhänge zwischen dem Ausbruch mörderischer Gewalt in der physischen Welt und auf dem Bildschirm seien zwar keinesfalls nachzuweisen. Der anhaltende Gebrauch von gewalthaltigen Computerspiele gehe aber im Durchschnitt an Jugendlichen und Heranwachsenden nicht spurlos vorbei. Er führe vielmehr zu kleinen Aggressionen, Mobbing und Verbalattacken. Man habe in vielen Studien nachweisen können, dass sich bei den entsprechenden Daddlern die Bereitschaft erhöht habe, Konflikte mit Gewalt zu lösen.

Dazu kommt laut dem Wissenschaftler, dass gerade die auf ständige Motivation getrimmten Online-Spiele "Herausforderungen" für das Zeitmanagement Jugendlicher darstellen würden. Eine echte Spielesucht sei aber selten zu diagnostizieren. Der Begriff treffe auf den Großteil der Spieler schlicht nicht zu.

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(Stefan Krempl) / (jk)