US-Berufungsgericht schließt Patente auf reine Geschäftsmethoden und Software aus

In einem Grundsatzurteil hat der Court of Appeals for the Federal Circuit klargestellt, dass reine Geschäftsmethoden oder Computerprogramme ohne Bezug zu einer Maschine oder Transformationswirkungen nicht patentierbar sind.

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Das US-Bundesberufungsgericht hat in einem Grundsatzurteil (PDF-Datei) klargestellt, dass reine Geschäftsmethoden oder Computerprogramme ohne Bezug zu einer Maschine oder Transformationswirkungen nicht patentierbar sind. Der Court of Appeals for the Federal Circuit hat mit der lange erwarteten und viel beobachteten Entscheidung vom gestrigen Donnerstag zugleich einen eigenen früheren Beschluss, der Softwarepatenten den Weg ebnete, größtenteils revidiert. Die US-Rechtsprechung setzt mit dem folgenschweren Urteil ihren 2007 mit einer Vorgabe vom Obersten Gerichtshof beschrittenen Weg der Einschränkung von Trivialpatenten ohne technischen Bezug und ohne nachweisbare erfinderische Leistung fort. Zugleich nähert sie sich dem Ansatz des Europäischen Patentamtes (EPA) an, das in einer weiten Auslegung der rechtlichen Grundlagen auf dem alten Kontinent gewerbliche Schutzrechte für "computerimplementierte Erfindungen" vergibt.

Konkret ging es bei der Auseinandersetzung vor dem Berufungsgericht um die Nichtigkeitserklärung eines Patentanspruchs des Erfinders Bernard Bilski durch das US-Patentamt. Der Tüftler hatte einen zeitlich beschränkten Monopolschutz für ein Verfahren beansprucht, mit dem Schwankungen beispielsweise durch schlechtes Wetter bei der Verbrauchernachfrage prinzipiell allgemein verfügbarer Güter wie Energie vorhergesagt werden soll. Das Gericht hat in der Mehrheitsmeinung nun die Ansicht vertreten, dass das Patentamt Recht hatte und das ökonomische Verfahren nicht gewerblich schutzfähig sei.

Komplett schließt das Urteil die Vergabe von Patenten auf Geschäftsmethoden und Software nicht aus. Es erhöht in einem zweiseitigen Testverfahren aber die Hürden dafür deutlich. Demnach müssen entsprechende Programme oder Verfahren entweder auf eine spezielle Maschine oder einen Apparat bezogen sein oder einen bestimmten Gegenstand in einen anderen Zustand oder eine andere Sache transformieren. Die erste Bedingung dürfte bei einer weiten Interpretation vergleichbar einfach zu erfüllen sein, da Software etwa immer in einem Computer und damit einem technischen Gerät abläuft. Die zweite Variable ähnelt dem etwa vom Bundesgerichtshof aufrechterhaltenen Anspruch, dass technische Erfindungen Auswirkungen auf die physikalische Umwelt etwa durch Einsatz der Naturkräfte haben müssen. Ob dieser Ansatz auch europaweit wieder stärkere Geltung haben sollte, lässt die Präsidentin des EPA, Alison Brimelow, gerade durch die Große Beschwerdekammer der Münchner Patentbehörde prüfen.

In abweichenden Einzelmeinungen argumentierten einzelne Richter der Berufungsinstanz zum einen, dass die Entscheidung zu weit gehe, die Patentierbarkeit materiell zu stark begrenze und das Gericht sich damit quasi an die Stelle des Gesetzgebers setze. Ein anderer der einbezogenen Richter zeigte sich dagegen enttäuscht, dass das Urteil Softwarepatenten und Ansprüchen auf Geschäftsmethoden nicht noch einen größeren Riegel vorlege. Die vorherige Rechtspraxis habe für die Wirtschaft negative Folgen etwa in Form zahlreicher Klagen von sogenannten Patent-Trollen entfaltet. Nach Ansicht dieses Richters wenden wirtschaftliche Verfahren die Naturgesetze nicht in einer neuen und nützlichen Weise an und dürften daher überhaupt nicht gewerblich geschützt werden.

Rechtsexperten wie Jason Schultz von der University of California in Berkely gehen davon aus, dass die Entscheidung die Anzahl der Patentanträge im IT-Sektor in den USA deutlich einschränken wird. Triviale Dinge oder Verfahren wie Bezahlverfahren im E-Commerce oder virtuelle Einkaufswägen hätten mit technischen Maschinen wenig zu tun und dürften daher künftig keinen Patentschutz mehr erhalten. Auch die CCIA (Computer and Communication Industry Association), die seit Langem Softwarepatente skeptisch beäugt, begrüßte den Beschluss. "Das Berufungsgericht hat erkannt, dass ein unkontrollierbares Patentsystem den Fortschritt nicht vorangetrieben hat", erklärte der Präsident der Branchenvereinigung, Ed Black. Die aufgezeigten Standards sollten die "ungebührlichen" Schutzrechte auf Computerprogramme und Verfahren, die im IT-Sektor lange Zeit vergeben worden seien, zurückdrängen, ohne die Innovation in diesen Bereichen grundsätzlich zu behindern.

Einzelnen Computer- und Softwarefirmen könnte das Urteil aber einen Strich durch ihre Praktiken machen, ihre Portfolios an Softwarepatenten weiter aufzustocken. Experten rechnen daher damit, dass alles auf einen Widerspruch gegen das Berufungsurteil hinausläuft und sich der Supreme Court mit der Sache beschäftigen soll. Der Court of Appeal geht auf diese Option schon ein und gibt zu, dass die aufgestellten Bedingungen bei einer anderen Betrachtungsweise technologischer Erfindungen geändert werden könnten. Er selbst sehe aber keine Erfordernis für derartige Abweichungen.

Vor zehn Jahren war das Berufungsgericht freilich selbst noch anderer Ansicht. Damals ging es im "State Street Bank"-Prozess um die Auseinandersetzung zweier Finanzinstitute um ein Verfahren zur Datenverarbeitung. Der Court of Appeals entschied damals, dass die umstrittene Geschäftsmethode patentierbar sei. Ein entsprechendes beanspruchtes Verfahren müsse nur "konkret, fassbar und nützlich" sein. Eingeschränkt hatte das Gericht aber seine alte Linie bereits erstmals im Herbst 2007. Der Gerichtshof bekräftigte damals eine Entscheidung des Patentamts, keinen gewerblichen Rechtsschutz für ein Verfahren zur automatischen Streitschlichtung zu gewähren.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)