Wikipedia-Gründer Jimmy Wales: Fokus auf Sprachenvielfalt

Jimmy Wales will die Vielfalt der Themen, Sprachen und der freiwilligen Autoren in Wikipedia stärken. Wikipedia soll auch bedienfreundlicher werden, erklärt der 47-Jährige in einem Interview.

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  • dpa

Der Wikipedia-Gründer Jimmy Wales fordert aktives politisches Engagement im Kampf für die Freiheit im Internet.

(Bild: dpa, Marc Tirl/Archiv)

Wikipedia hat sich in 13 Jahren etabliert. Grund, sich zufrieden zurückzulehnen? Oder sind Kursänderungen nötig?

Die Zahl unserer freiwilligen Redakteure ist über die Jahre stabil geblieben, wir haben etwa 85.000 pro Monat. Ich denke, das ist momentan genug. Klar: Je mehr wir haben, um so schneller können wir das Material aktualisieren. Aber wir sind nicht so sehr an einer hohen Mitarbeiterzahl als vielmehr einer guten Vielfalt von Leuten interessiert, die aus allen Bereichen des Lebens kommen. Wir wollen diese Vielfalt stärken, das ist unsere große Herausforderung. Wir wissen, dass unsere Gemeinschaft aus vielen männlichen Technik-Fans besteht, weshalb auch Dinge wie etwa USB-Standards besonders gut beschrieben werden. Aber es wird schon dünner, wenn es um frühkindliche Bildung oder eine preisgekrönte Roman-Autorin geht. Die Leute schreiben eben nur über das, was sie kennen.

Wie groß ist denn die Wikipedia-Datenbasis mittlerweile?

Keine Ahnung wie groß die genau ist, aber sie ist enorm. Einige Terabyte sicherlich. Technisch ist das alles problemlos, wir haben keine Speicherprobleme. Wir haben 13 Millionen Artikel in 285 Sprachen – aber ein Großteil davon verteilt sich auf neun Sprachen.

Gibt es noch weiße Flecken auf der Wikipedia-Landkarte?

Wir spüren in den Schwellenländern eine starke Begeisterung. Afrika ist natürlich wegen mangelhafter Internet-Infrastruktur und Analphabetentum eine große Herausforderung, dann kommt auch noch das Sprachenproblem mit Englisch und Französisch hinzu. Aber es gibt eine hohe Begeisterung der Menschen, in ihrer Muttersprache zu schreiben – vorausgesetzt, sie haben die Möglichkeit dazu. Wir beobachten in Afrika eine unglaubliche Beschleunigung beim Internet-Zugang per Handy – das entwickelt sich schneller, als so mancher hier ahnt. Leider macht der kleine Handy-Bildschirm das Schreiben schwierig. Aber wenn es mehr Leser gibt, dann gibt es auch mehr Freiwillige, die etwa in Zulu schreiben.

Das Wikipedia-Design blieb seit Jahren unverändert. Warum?

Wir hatten einige leichte Korrekturen. Wir testen gerade ein einfaches System, das es uns erlaubt, eine größere Bandbreite von Freiwilligen an Bord zu holen, die nicht so vertraut mit der Technik sind. Das ist die wichtigste strategische Herausforderung, die vor uns liegt, da haben wir noch zu wenig Fortschritte gemacht. Und dann natürlich auch die Software: Die muss auch noch verbessert werden.

Gibt es für Wikipedia eigentlich Konkurrenten?

Konkurrenzdenken liegt mir nicht. Ich sehe auch keinen echten Wettbewerber für uns. Das ist ja im Grunde ein schlechtes Geschäft: Wir leben von Spenden, wir geben alles umsonst ab – also sind wir nicht unbedingt ein lukratives Geschäftsmodell.

Es gibt immer wieder Berichte über mehr oder weniger prominente Menschen, die versuchen, Einfluss auf Wikipedia-Einträge zu nehmen. Wie groß ist das Problem wirklich?

Ja, es gibt in der Tat immer wieder einige plumpe Versuche, Wikipedia zu beeinflussen. Es gibt aber auch subtilere Formen der Einflussnahme. Wir empfehlen den Leuten, offen zu sein und zu uns zu kommen, wenn etwas nicht stimmt und mit uns zu reden. Das ist wie bei einer Zeitung, die man ja auch mit Respekt behandelt – da besticht man doch nicht die Journalisten! Die Netz-Gemeinde beobachtet sehr genau – und sie blockiert auch, wo sie Fehlverhalten entdeckt.

Zur Person: Der am 7. August 1966 im US-Bundesstaat Alabama geborene IT-Unternehmer Jimmy Wales startete Wikipedia mit dem Programmierer Larry Sanger im Januar 2001. Die Artikel in der Online-Enzyklopädie werden von den Nutzern selbst verfasst und redigiert – auch von Wales selbst. Wikipedia hat nach seinen Angaben inzwischen 532 Millionen Nutzer im Monat. Für Menschen in ärmeren Ländern gibt es das Projekt Wikipedia Zero, bei dem für den Zugang zu Artikeln im Lexikon bei manchen Mobilfunk-Anbietern keine Internet-Gebühren anfallen. (sea)