Grüne wollen Datenschutz im Grundgesetz festschreiben

Die Oppositionspartei hat ihre Pläne zur Verankerung der informationellen Selbstbestimmung im Grundgesetz konkretisiert und einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der auch ein Grundrecht auf Informationsfreiheit vorsieht.

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Die grüne Bundestagsfraktion hat ihren Plan zur Verankerung des Datenschutzes im Grundgesetz konkretisiert und modifiziert. Laut einem am Dienstag einstimmig verabschiedeten Gesetzesentwurf soll das Recht auf informationelle Selbstbestimmung direkt in die verfassungsähnlichen Normen eingebaut und auch ein Grundrecht auf Informationsfreiheit geschaffen werden. "Es geht um eine Antwort auf die Schäubles dieser Welt, die jeden zum Verdächtigen machen wollen", erläuterte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast in der Süddeutschen Zeitung den Vorstoß im Bezug auf aktuelle Überwachungsvorhaben. Das Recht auf Privatheit müsse aber nicht nur gegen den Staat, sondern auch gegen die Wirtschaft verteidigt werden.

Bisher blieb es vor allem dem Bundesverfassungsgericht überlassen, neue Entwicklungen wie den technischen Fortschritt durch eine eigene Auslegung des fast 60 Jahre alten Grundrechtskatalogs aufzunehmen und so den notwendigen Schutz der Freiheitsrechte fortzuschreiben. Als Eckpfeiler auf diesem Weg gelten das Volkszählungsurteil von 1983 mit seiner Aufstellung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das Urteil zum großen Lauschangriff mit dem absoluten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sowie das jüngst ergangene Urteil zu heimlichen Online-Durchsuchungen, das ein Grundrecht auf "Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" begründet hat.

Laut den Grünen ist es aber "wünschenswert, dass die Bürger ihre grundlegenden Rechte aus der Verfassung selbst auch im Bereich der neuen Technologien in hinreichender Klarheit entnehmen können". Der verfassungsgebende Gesetzgeber sei daher gehalten, die neuen Schutzpositionen "widerspruchsfrei in die bestehende Grundrechtsordnung einzufügen". Eine solche Verankerung klarer Gewährleistungen für den Bereich des Datenschutzes solle darüber hinaus Aufforderung an den Gesetzgeber sein, fügen die Grünen angesichts der Bespitzelungsaffären bei der Deutschen Telekom und Lidl sowie der Datensammelwut sozialer Netzwerke wie StudiVZ hinzu, "die schon lange notwendige Überarbeitung der Datenschutzgesetze endlich anzugehen und insbesondere auch den Schutz vor der zunehmend bedrohlichen privaten Datensammlung auszubauen".

Weiter weist die Oppositionspartei darauf hin, dass sich mit dem zunehmenden Wandel zu einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft auch das Verständnis der Bedeutung staatlicher Informationen gewandelt habe. In einer offenen Gesellschaft dürften staatliche Informationssammlungen nicht mehr vor den Bürgern abgeschirmt werden. Vielmehr müsse diesen grundsätzlich gerade umgekehrt der Zugang zu Behördenakten offen stehen. Ein derartiger Zugang werde gegenwärtig nur durch einfache Vorgaben wie die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und einiger Länder gesichert. Die Wichtigkeit des freien Zugangs zu öffentlichen Informationen gebiete es jedoch, auch dieses Recht gesondert im Grundrechtskatalog abzusichern.

Konkret schlägt der Entwurf eine Änderung von vier der 19 Grundrechtsartikel vor. Ein neuer Artikel 2a soll demnach das Recht gewährleisten, "über persönliche Daten selbst zu bestimmen". Nach Artikel 5 soll eine Ergänzung angefügt werden, die jedem "das Recht auf Zugang zu Daten öffentlicher Stellen" verschaffen würde. Beschränkungen dürften nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen, wenn öffentliche Interessen "zwingend" Vertraulichkeit geböten oder ein "überwiegendes Interesse Dritter" an Geheimhaltung bestehe. Damit sei zu erwarten, schreiben die Grünen in der Begründung, dass etwa bei der Abgrenzung zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen "die verpflichteten öffentlichen Stellen dem Recht auf Informationsfreiheit eine höhere Beachtung zukommen lassen, als das gegenwärtig der Fall ist".

Der geplante Artikel 13a will jedem ein Recht auf digitale Privatsphäre durch den Schutz von IT-Systemen gewährleisten. Dabei hat die Oppositionspartei nach eigenen Angaben bewusst auf eine Einschränkung verzichtet. Dieses neue Grundrecht könnte so nur ­ wie auch andere besonders wichtige Grundrechte ­ durch "kollidierende Verfassungsgüter beschränkt werden". Artikel 19 soll schließlich mit dem Hinweis ergänzt werden: "Der Kernbereich privater Lebensgestaltung ist unantastbar." Damit werde keineswegs das Begehen von Straftaten aus dem Schutz der Intimsphäre heraus abgedeckt. Entsprechende Gespräche seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dem Kernbereichsschutz zuzuordnen. Bei Online-Razzien seien zudem die Vorgaben aus Karlsruhe zum Verbot der Erhebung beziehungsweise Verwertung von Daten mit Bezug zur Intimsphäre genau zu beachten.

Auch in der großen Koalition gibt es seit vergangenem Jahr konkrete Überlegungen, eine Art Grundrecht auf Informationsfreiheit im Internet einzuführen. Damit sollen laut dem Innenexperten der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, die gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Betätigungen der Netzbürger "gegen staatliche Eingriffe" geschützt werden. Bislang sei seiner Fraktion aber noch keine "knackige Formulierung" eingefallen, die der knappen Form des Grundgesetzes gerecht werde. Man befinde sich auch erst am Anfang einer langen Diskussion. Das Bundesinnenministerium denkt ebenfalls darüber nach, ob der Grundrechtsschutz nicht auf das Internet ausgedehnt werden müsse. Damit will es der geplanten Ausforschung von IT-Systemen freilich keine Steine in den Weg legen. (Stefan Krempl) / (vbr)