Handy-Fernsehen über DVB-H geht langsam die Luft aus

Keine Vertriebsstrategie, fehlende Sendefrequenzen, kostenlose Konkurrenz durch DVB-T – Mobile 3.0, Lizenznehmer des mobilen Handy-TV über den DVB-H-Standard, läuft die Zeit davon. Auch ARD und ZDF rudern zurück.

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Das mobile Handy-TV über den DVB-H-Standard steckt in einer tiefen Krise. Ein kommerzieller Sendestart in Deutschland bis zum Frühjahr 2009 wird laut eines Berichts der Financial Times Deutschland (FTD) immer unwahrscheinlicher. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur: Zum einen fehlen dem Plattformbetreiber Mobile 3.0 laut FTD in den Bundesländern Bremen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die Sendefrequenzen. Jede weitere Verzögerung verringert die Chancen eines kommerziellen Erfolges, schließlich bieten einige bereits erhältliche Telefone die Möglichkeit, kostenlos über DVB-T übertragene Fernsehinhalte anzuschauen.

Hinzu kommt, dass Mobile 3.0 laut FTD bisher kein klares Geschäftsmodell vorgestellt hat. Auch die Vertriebsstrategie und Konzeptionen möglicher Zusatzdienste lägen im Unklaren. Eine Firmensprecherin teilte laut FTD lediglich mit, dass man derzeit noch an der Produkt- und Vertriebsstrategie arbeite. Über den Vertrieb soll Mobile 3.0 mit Mobilfunkanbietern bislang noch nicht gesprochen, schreibt die Wirtschaftszeitung. Ohne die Unterstützung der vier großen Mobilfunkprovider T-Mobile, Vodafone, E-Plus oder O2 rückt ein Erfolg des Mobile-3.0-Projekts in weite Ferne. Sollte bis zum Herbst kein genauer Fahrplan auf dem Tisch liegen, werde es massiven Druck aus Berlin geben, zitiert die FTD einen namentlich nicht genannten Firmeninsider, der sogar die Rückgabe der Lizenzen für denkbar hält.

Hinzu kommt die Frage nach der Zahlungsbereitschaft der Kunden: Die schätzt Arndt Rautenberg von der Unternehmensberatung OC&C Strategy gering ein. So seien für die bloße Wiedergabe des normalen Fernsehens fünf Euro bereits die Obergrenze und nur mit kostenpflichtigen Zusatzdiensten ein Gewinn zu erwirtschaften. Skeptisch scheinen die Kunden gegenüber dem gebührenlastigen Bezahlfernsehen laut einer Studie der Unternehmensberatung Accenture generell zu sein, auf die sich die FTD bezieht. Demnach würden nur 17 Prozent der Mobilfunkanwender auch DVB-H-Fernsehen nutzen, sollte es zur Verfügung stehen. Auch die Erfahrungen anderer Länder zeigen laut Accenture-Chef Nikolaus Mohr, dass das kommerzielle Handyfernsehen wohl nur als Nischenanwendung in Frage komme.

Am 1. Juni startete der DVB-H-Testbetrieb in Hamburg, München, Frankfurt und Hannover. Jedoch hatte zum Start kein Mobilfunkanbieter das neue Handy-Fernsehen beziehungsweise ein geeignetes Mobiltelefon dafür im Angebot. Die Branche ist seit den Erfahrungen des ersten Versuchs, Handy-TV zur Fußball Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland zu etablieren, vorsichtig geworden. Das damals gestartete Fernsehen nach dem Standard DMB hatte lediglich 10.000 Kunden und galt schon bald durch ein klares Votum der EU für DVB-H als Auslaufmodell.

ZDF und ARD haben unterdessen angekündigt, von den Plänen eines gemeinsam für den Handy-Empfang veranstalteten Programms Abstand nehmen zu wollen. In einem Schreiben an den Chef der Rundfunkkommission der Länder, Martin Stadelmeier, nannten sie als Grund, dass der erforderliche finanzielle und administrative Aufwand für ein solches Projekt "unangemessen hoch" wäre. Die Hauptprogramme von ZDF und ARD sollen aber unabhängig von dieser Entscheidung weiter über Mobile 3.0 verbreitet werden. (mfi)