Europäische Internet Society gegen Bestrafung von Piraten

Die Internet Society France macht mobil gegen eine französische Gesetzesinitiative, mit der angebliche Piraten vom Netz abgeschnitten werden sollen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internet Society in Frankreich (ISOC France) bekommt Unterstützung in ihrem Kampf gegen das geplante französische Gesetz zur Sperrung ihres Internetzugangs mutmaßlicher Piraten. ISOC-Organisationen in Polen, Bulgarien und England haben sich nach Informationen der ISOC Frankreich dem Protest der französischen Kollegen gegen das so genannte Hadopi-Gesetz angeschlossen, das nach Ansicht des ISOC-Juristen Charles Simon eine Abkehr von fundamentalen Grundrechten bedeutet.

Der Name Hadopi rührt von der eigens für die Verkündung der Internetsperren benannten Behörde, die "Haute autorité pour la diffusion des œuvres et la protection des droits sur Internet" (Aufsichtsbehörde für die Verbreitung von Werken und den Schutz der Urheberrechte im Internet). Hadopi, soll laut französischen Medienberichten aus der bislang für die Kontrolle von DRM-Maßnahmen zuständigen Behörde "l’Autorité de régulation des mesures techniques" entstehen. Nicht ein Richter, sondern eben die Hadopi, werde künftig die Netzsperren verkünden, sollte sich ein Nutzer auf erste Warn-E-Mails von Hadopi nicht melden.

Der umstrittene Gesetzentwurf passierte in der vergangenen Woche den französischen Conseil d'Etat, oberstes Regierungsgremium im Gesetzgebungsverfahren, und geht nun erst an den Senat und dann ans französische Parlament zur Abstimmung weiter. Simon sagte gegenüber heise online, es sei nicht sicher, welche Veränderungen im Conseil d'Etat vorgenommen worden seien. Die bislang bekannten Form widerspreche aber fundamentalen Grundrechten, etwa dem Anspruch auf ein ordentliches Verfahren. Musste ein Rechteinhaber bislang in einem ordentlichen Gerichtsverfahren den Nachweis führen, dass ein Nutzer ihre Urheberechte verletzt hatte, werde mit Hadopi ein solches Verfahren einfach umgangen. Das Unternehmen müsse daher nichts mehr beweisen. Der Trick, so Simon: "Die Unternehmen belangen den Nutzer nicht wegen Piraterie, sondern wegen der mangelnden Absicherung seiner Internetverbindung."

Die Hadopi mahne praktisch auf Zuruf der Unternehmen den Anschlussinhaber über dessen Internetzugangsanbieter ab. Wer sich dann reuig zeige, werde zu einer kürzeren "Internet-Strafzeit" begnadigt. Wer sich nicht melde, werde vom ISP auf Anweisung von Hadopi gesperrt. Allerdings können die Unternehmen mit dem Eingeständnis auch auf Schadenersatz klagen. Die französische ISOC verglich diesen Mechanismus mit einer Art "Jackpot-Gewinnspiel" für die Rechteinhaber. Wer sich zu Unrecht verdächtigt und seines Netzzugangs beraubt fühlt, kann im zweiten Schritt vor einem Gericht gegen Hadopis Maßnahmen klagen.

"Nicht das Unternehmen muss also beweisen, das ein Nutzer tatsächlich seine Rechte verletzt hat. Der Nutzer muss seine Unschuld beweisen," kritisiert Jurist Simon. Insgesamt kommt die ISOC Frankreich zum Schluss, diene das Gesetz nur "einer kleinen Gruppe von Leuten, die nach 10 Jahren immer noch nicht die Stärken des Internet verstanden haben und glauben, es müsse ein wirkungsvolles Instrument zur kommerziellen Distribution werden."

Unklar ist angesichts möglicher Veränderungen im Conseil d'Etat noch, ob man an der Idee festhält, über eine schwarze Liste zu verhindern, dass Nutzer nach einer Sperre zu einem anderen Provider wechseln können. Möglicherweise gibt man sich aber auch damit zufrieden, dass die Nutzer, wie es die ISOC Frankreich beschreibt, auch für den gesperrten Anschluss weiter bezahlen müssen.

Die polnische ISOC reagierte mit einer eigenen Protesterklärung, die ISOC-Organisationen in ganz Europa zum Widerstand aufruft. Einerseits sei das eine Unterstützung für Frankreich, betonte Simon, andererseits will man aber auch den Anfängen wehren und gegen ähnliche Vorstöße auf EU-Ebene mobilisieren. Auch wenn man darauf bei der ISOC Frankreich noch keine konkreten Hinweise kennt, kann es laut Charles nicht schlecht sein, vorbereitet zu sein. Parallel zum Treffen der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in Paris treffen sich in der kommenden Woche auch die internationale ISOC und die europäischen Mitglieder. (Monika Ermert) / (ola)