BKA-Chef: Produktpiraterie trägt Züge der organisierten Kriminalität

Jörg Ziercke, der Präsident des Bundeskriminalamts, sieht die Produktion gefälschter Markenware eng mit dem Drogen- und Menschenhandel verknüpft. SAP schwebt eine globale Identifikationsdatenbank für Güter vor.

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Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, sieht die Produktion gefälschter Markenware eng mit dem illegalen Drogen- und Waffengeschäft sowie dem Menschenhandel verknüpft. In gemeinsamen Analysen des BKA mit Interpol und Europol sei deutlich geworden, dass hinter der Produktpiraterie "organisierte Strukturen stehen", sagte er am gestrigen Freitag auf der Konferenz des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zum "Tag des geistigen Eigentums" in Berlin.

Ziercke bezeichnete die Marken- und Produktpiraterie etwa als "Kerngeschäft der italienischen Mafia". Diese fertige zwar nicht selbst die Imitaten. Sie "drückt aber die Marken auf gefälschte Produkte" und kontrolliere den Vertrieb.

Der BKA-Chef räumte zugleich ein, dass durch zunehmende Fälschungen und Raubkopien "die Anforderungen an die Strafverfolgungsbehörden einschließlich des Zolls gestiegen sind". Derzeit stehe die "Informationserlangung und internationale Vernetzung" im Vordergrund der Ermittlungstätigkeiten, was zum Aufbau einschlägiger Arbeitsdateien geführt habe. Darin würden etwa Vertriebswege aufgeschlüsselt. Zur Bekämpfung des "Phänomens" sei man dabei auf Eingaben aus der Wirtschaft angewiesen, um etwa auch "neue technologische Entwicklungen" erkennen zu können. Die Zusammenarbeit setze sich fort bis hin zu "Joint Investigation Teams" mit Rechteinhabern im Rahmen operativer Maßnahmen. Die Strafverfolgung allein hält Ziercke aber nicht für ausreichend. Er appellierte auch an die Hersteller, Echtheitssiegel etwa wie auf einem Geldschein zu implementieren.

"Wir denken seit 30 Jahren über Sicherheitsmaßnahmen nach", konterte Rüdiger Stihl. Motorsägen seines Unternehmens würden aber meist über Italien eingeschleust, von Lkws herunter als "Messeware" verkauft, wobei erst zum Schluss "unsere Marke aufgeklebt wird". Käufer würden sich dann meist "durch den billigen Preis" motivieren lassen, sodass Zertifikate nichts nützen würden. Viele Firmen unternähmen aber zu wenig gegen die "wuchernde Krankheit", obwohl sie Dreiviertel aller Betriebe betreffe. Es bedürfe aber eines Signals an die Öffentlichkeit, "dass diese Art der Verletzung geistigen Eigentums nicht rechtens ist". Stihl wiederholte seine Forderung nach einem Bußgelds für die Käufer von Fälschungen. Weiter machte er sich nach US-Vorbild für die Einsetzung eines Beauftragten für den "Schutz geistigen Eigentums" bei der Bundesregierung stark.

Peer Laslo von SAP brachte unterdessen den Aufbau einer Datenbank ins Spiel, "über die Güter identifiziert und authentifiziert werden können". Der Hersteller müsse dazu seine Waren mit eindeutigen Seriennummern sowie zwei- oder dreidimensionalen Barcodes ausstatten. Jeder Interessent könne dann sein Foto-Handy nehmen, um etwa einen Turnschuh, Autoteile oder Arzneimittel jederzeit weltweit zu identifizieren. "Wir wollen einen [...] Service anbieten, der auf unserer Standardtechnik basiert", erklärte Laslo. Stihl bezeichnete den Vorschlag angesichts eines Vertriebs über tausende Facheinzelhändler aber als "praxisfremd".

SAP selbst hat seinen Weg gegen Produktpiraterie laut Laslo bereits gefunden: "Wir sind nicht betroffen. Unseres Software ist so kompliziert, dass man sie schlecht fälschen kann." Ganz anders sieht der Fall bei Microsoft aus, wo man von einer Piraterierate von 27 Prozent hierzulande ausgeht. Es handle sich dabei "nicht um Robin-Hood-Spiele, wo man den Großen etwas wegnehmen darf", beklagte Severin Löffler von Microsoft Deutschland das mangelnde Bewusstsein vieler Nutzer. Vielmehr stünden "ein Drittel der Arbeitsplätze und Steuerzahlungen" auf dem Spiel. (Stefan Krempl) (je)