Britische Regierung kippt zentrale Überwachungsdatenbank

Die geplante Superdatenbank wird wohl auch aus Finanzgründen nicht kommen, dafür soll die Vorratsdatenspeicherung bei den Providern ausgebaut werden.

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Von
  • Florian Rötzer

Letztes Jahr hatte die britische Regierung beschlossen, eine zentrale Datenbank aufzubauen, in der alle Informationen, die von den Telefon- und Internetprovidern im Rahmen der Telekommunikations-Vorratsdatenspeicherung für 12 Monate gesammelt werden müssen, zusammengeführt werden. Bei der Vorratsdatenspeicherung bleibt es weiterhin, Innenministerin Jacqui Smith gab jedoch bekannt, dass die heftig umstrittene Superdatenbank nun doch nicht kommen wird, da die Folgen für die Privatsphäre zu groß seien.

Da die britische Regierung den Einwänden von Datenschützern und Bürgerrechtsorganisationen sonst kaum Gehör schenkt, dürfte für den Gesinnungswandel zumindest auch der finanzielle Aspekt wichtig gewesen sein. Den von der Finanzkrise und den in die Höhe schießenden Staatsschulden schwer gebeutelten Bürgern dürfte es auch kaum zu vermitteln sein, für ihre Überwachung mindestens weitere 2 Milliarden Pfund (2,2 Milliarden Euro) ausgeben zu wollen.

Statt der zentralen Datenbank soll nun gewissermaßen die dezentrale Vorratsdatenspeicherung durch die Privatwirtschaft ausgebaut werden, wozu das Innenministerium ein Papier vorgelegt hat. Bislang müssen Internet- und Telekomprovider die Daten der Internetbenutzer für ein Jahr speichern und auf Anfrage den Polizeibehörden zugänglich machen. Nun sollen sie zudem die Verbindungsdaten auch jeder Kommunikation aus dem Ausland aufbewahren, die durch britische Netzwerke geleitet wird. Jeder Internetnutzer soll eine ID-Nummer erhalten, unter der die Provider die Daten sammeln müssen.

Man müsse eine Balance zwischen Datenschutz und Sicherheit finden, sagte Smith, aber Polizei und Geheimdienste bräuchten mehr Möglichkeiten, um Terrorismus und Kriminalität in einer zunehmend komplexer werdenden Online-Welt bekämpfen zu können, die mehr Anonymität biete und zunehmend diversifizierter und fragmentierter sei. Provider müssten auch nicht mehr im Inland ansässig sein, in Zukunft werde ein Großteil der Kommunikation (Beispiel VoIP) IP-basiert sein. Man müssen mit denen technisch Schritt halten, die dem Land schaden wollen: "Meine erste Priorität ist", so Smith, "die britischen Bürger zu schützen. Kommunikationsdaten sind ein wichtiges Mittel, um Mörder und Pädophile zu verfolgen, Leben zu retten und Verbrechen zu bekämpfen." Es gehe nicht um die Speicherung der Kommunikationsinhalte, sondern lediglich um die der Verbindungsdaten, wozu auch gehört, dass nicht nur registriert wird, wer mit wem E-Mails austauscht oder chattet, sondern auch welche Seiten im Web besucht werden.

Das Innenministerium fordert nun dazu auf, die neuen Vorschläge, die ebenfalls auf heftige Kritik stoßen werden, zu kommentieren. Versprochen wird, dass es strenge Maßnahmen für den Zugriff auf die Daten geben soll. Ob das allerdings die Menschen glauben, nachdem die Regierung seit Jahren Hunderten von Behörden ermöglicht hat, selbst zur Verfolgung von Vergehen wie dem Wegwerfen von Müll oder der Nichtbeseitigung von Hundekot die Kommunikation von Verdächtigen überwachen zu dürfen. Notorisch berüchtigt sind die britischen Behörden auch für die zahlreichen Datenverluste. (fr)