"Gut, dass es passiert ist": Datenpanne zwingt zum Umdenken

Die Datenpanne einiger Meldebehörden schärft das Bewusstsein der Gemeinden für den verantwortungsbewussten Umgang mit Bürgerdaten, hoffen die Beteiligten. Die Stadt Potsdam will nun ihr Sicherheitskonzept für E-Government-Projekte überprüfen.

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Von
  • Ronald Bahlburg
  • dpa

Die Zerknirschung stand Elona Müller ins Gesicht geschrieben, als sie am Dienstag im "Blauen Salon" des Potsdamer Stadthauses vor die Presse trat. Ja, auch Unbefugte hätten die Daten von Bürgern theoretisch eine Zeit lang per Internet einsehen können, räumte die Beigeordnete für Ordnung ein. Brandenburgs Landeshauptstadt sei damit in "einer Situation, die sich keine Stadtverwaltung wünscht".

Dazu hatte die Kommune selbst beigetragen. Mitarbeiter hatten versäumt, nach der Installation der Software für das Melderegister das mitgelieferte Standard-Kennwort zu ändern. Das aber stand zu Demonstrationszwecken auch eine Weile auf der Internetseite des Software-Herstellers HSH aus Ahrensfelde bei Berlin. So war es möglich, zwischen dem 15. März und 20. Juni Zugang zu dem eigentlich streng geschützten Datenbestand zu erlangen. Nach Angaben von HSH sind von der Datenpanne insgesamt 15 Kommunen betroffen, darunter fünf in Brandenburg.

Auch prominente Potsdamer wie der Fernsehmoderator Günther Jauch, die Schauspielerin Nadja Uhl oder das vom Modeschöpfer Wolfgang Joop entdeckte Model Franziska Knuppe hätten aufgrund der Panne ausgespäht werden können. Denn: "Vom Grundsatz her sind alle Menschen gleich zu behandeln", erläuterte die Beigeordnete Müller, die sich in Vertretung von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den Fragen der Medien stellte. Allerdings hätten in der 150.000-Einwohner-Stadt Potsdam rund 4000 dem Online-Verfahren widersprochen, womit ihre Angaben komplett gesperrt seien.

Laut Müller gab es nur zwei Abfragen zu konkreten Personen nach dem 16. Juni, davon eine durch das ARD-Fernsehmagazin "Report München", das die Sache mit ans Licht brachte. Dabei hätten von den 18 gesetzlich möglichen Suchkriterien aber nur fünf abgerufen werden können: Name, Vorname, Geburtsdatum, Geschlecht und Adresse. Weitergehende Angaben wie Augen- und Haarfarbe, Religionszugehörigkeit oder gar ein Passbild wären unzugänglich gewesen. "Es gab nicht den gläsernen Bürger."

"Es war Fahrlässigkeit an zwei Stellen", lautete Müllers Diagnose. Deshalb werde die Stadt Potsdam jetzt ihr Sicherheitskonzept für das sogenannte E-Government überprüfen. Bis dahin bleibt der Online-Service abgeschaltet. Zwar gebe es noch keinen Hinweis auf Datenmissbrauch, das brandenburgische Innenministerium nehme die Panne aber sehr ernst, hieß es aus dem von Jörg Schönbohm (CDU) geleiteten Ressort. Von diesem Mittwoch an sollen die betroffenen Meldebehörden aufgesucht werden – um zu sehen, "was passiert ist", wie es ein Vertreter der Datenschutzbeauftragten formulierte.

Insbesondere für das Innenressort bedeutet die Panne einen Rückschlag, denn gerade in einem dünn besiedelten Land wie Brandenburg gilt "E-Government" inzwischen als Zauberwort: Online-Verfahren könnten in Zukunft immer mehr lästige Behördengänge überflüssig machen.

Trotz der jetzt erlebten "Havarie" werde zumindest die Stadt Potsdam weiter auf ihren weit entwickelten online-gestützten Bürgerservice setzen, machte Müller klar. Dafür habe der bisher zu gut funktioniert und sei von den Einwohnern angenommen worden. Und wohl mit Blick auf möglicherweise noch schlimmere Folgen der jetzt entdeckten Datenpanne bemerkte die Beigeordnete: "Gut, dass es passiert ist."

Zur Datenschutz-Panne bei Meldebehörden siehe auch:

(Ronald Bahlburg, dpa) / (vbr)