Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erhält Werbepreis und plant Großdemo

Der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern hat mit der Werbeagentur Nordpol+ beim Werbefestival in Cannes einen goldenen Löwen für das Projekt "Open-Trace" gewonnen und lädt zu einer Kundgebung nach Berlin.

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Edelmetall für den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: Der Zusammenschluss von Datenschützern, Bürgerrechtlern und Internetsurfern hat gemeinsam mit der Hamburger Werbeagentur Nordpol+ beim weltweit wichtigsten Werbefestival in Cannes einen goldenen Löwen für das Projekt "Open-Trace.net" gewonnen. Bei der Webseite handelt es sich um ein Experiment zur Einschätzbarkeit der Überwachung im Internet. Zugleich erhielt die Arbeit im Rahmen der Preisverleihung in der vergangenen Woche noch einen silbernen Löwen in der Kategorie "Promotion" sowie zwei der tierischen Statuen in Bronze in den Bereichen Direktwerbung und Medienschaltung.

Im Rahmen des Online-Projekts bietet der AK Vorrat eine Art Browser im Browser an, der die im Netz hinterlassenen Spuren beim Klicken auf Links mit einem schwarzen Fingerabdruck sichtbar macht. Die Web-Applikation speichert aber nicht nur die besuchten Seiten, sondern auch in Suchmaschinen eingegebenen Begriffe. Die damit erstellte digitale Hinterlassenschaft wird als Symbol gesehen für die ganzen sensiblen Daten, welche die Nutzer täglich im Netz hinterlassen und die von Providern gespeichert werden. Das Projekt will auch verdeutlichen, dass unter bestimmten Voraussetzungen Firmen, Privatleute oder der Staat auf die sich so ansammelnden Informationshalden zugreifen dürfen und so mühelos genaue personenbeziehbare Profile erstellen können. Im Gegensatz zu herkömmlichen Navigationswerkzeugen fürs Web werden diese Möglichkeiten bei Open-Trace anschaulich gemacht.

"Die Idee für das Projekt ging von der Agentur aus", erläutert padeluun vom AK Vorratsdatenspeicherung die Hintergründe gegenüber heise online. Die Finanzierung sei über Drittmittel erfolgt. Der Server sei in Bielefeld aufgestellt und werde von zwei Mitgliedsvereinen des Aktionsbündnisses, dem FoeBuD und dem Chaos Computer Club (CCC) betreut. Der AK Vorrat ist ein entschiedener Gegner vor allem der im Januar in Kraft getretenen Bestimmungen zur verdachtslosen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten. Mit Hilfe der über die gesamte Bevölkerung vorgehaltenen Verbindungs- und Standortdaten können ihm zufolge Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert oder Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden. Einer "Sammelklage" des Bündnisses gegen die Protokollierung der Nutzerspuren vor dem Bundesverfassungsgericht haben sich über 34.000 Bürger angeschlossen.

Den Protest will der Arbeitskreis im Herbst einmal mehr auch wieder auf die Straße tragen. Er plant dazu eine weitere Großdemo in Berlin am 11. Oktober unter dem Motto "Freiheit statt Angst", wie padeluun nach längeren internen Auseinandersetzungen über den Termin bestätigte. Darüber hinaus laufen Gespräche mit anderen Bürgerrechtsorganisationen über Protestkundgebungen an diesem Tag auch in anderen europäischen Großstädten, etwa in Frankreich, Großbritannien, Italien, Dänemark, Belgien oder Bulgarien unter dem englischsprachigen Aufhänger "Freedom not Fear" im Rahmen eines europaweiten Aktionstages gegen den Überwachungswahn in Staat und Wirtschaft.

Für die Demonstration in der deutschen Hauptstadt hat padeluun ein ambitioniertes Ziel: "Ich will in Berlin 80 Millionen Menschen auf der Straße sehen", sagte er halb scherzhaft unter Anspielung auf den mit der Vorratsdatenspeicherung gegen alle Bürger verknüpften Generalverdacht. Die Menschen sollten deutlich sagen, "es geht zu weit". Jeder einzelne Teilnehmer zähle. Die Unterstützung der Kundgebung sei wichtiger, "als alle vier Jahre seine Stimme abzugeben". Es komme darauf an, für den Schutz seiner Privatsphäre Gesicht zu zeigen, ohne dabei gleich "vermessen und erfasst" zu werden. Im Gegensatz zur ersten Großdemo gegen die Überwachung im September vergangenen Jahres in Berlin mit rund 15.000 Teilnehmern würden die Organisatoren dieses Mal die Polizei daher auch bitten, nur bei Rangeleien Videoaufnahmen zu machen. Letztes Jahr kam es nach Provokationen von beiden Seiten zu Rangeleien zwischen der Staatsmacht und Demonstranten. (Stefan Krempl) / (jk)