Wie Amazon und Google den Spielesektor aufmischen wollen

Mit der neuen Streaming-Box Fire TV setzt Amazon auch auf den Online-Verkauf realer Güter in Computerspielen, erläuterte ein Konzernvertreter auf der Games Week Berlin. Google kündigte neue Entwicklerschnittstellen an.

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Amazon will mit der Set-Top-Box Fire TV nicht nur eine neue Runde in der Schlacht um den medialen Zugang zu den Wohnzimmern einläuten, sondern auch im Stammgeschäft E-Commerce punkten. Gerade die Verknüpfung mit Android-Spielen über die Box solle eine neue Ära des Home-Shopping auslösen, erklärte Hemant Madan von Amazon Appstore zur Eröffnung der International Games Week Berlin am Dienstag. Dafür sei der Verkauf physikalischer Güter direkt aus Videospielen heraus bestens geeignet.

v.l.: Klemens Kundratitz (Koch Media), Martin Hubert (Ströer Digital Media), (Hemant Madan (Amazon), Michael Boniface (Entwickler)

(Bild: Stefan Krempl)

Statt virtuellen Schwertern oder sonstigen Waffen aus Pixeln denke Amazon etwa daran, mithilfe der Box Controller oder anderer Ausrüstung für Spieler zu verscherbeln, führte Madan aus: "Der Nutzer verlässt das Spiel dabei nicht, der Kauf erfolgt über ein Pop-up-Fenster."

Der Einbau von Shopping-Funktionen soll sich auch für Entwickler lohnen: Sie sollen bis zu sechs Prozent des von ihnen ausgelösten Umsatzes erhalten. Erste Apps seien bereits auf den Zug aufgesprungen. So verkaufe die Rezepte-Anwendung "Look & Cook" Küchengeräte, während "My Little Pony" Reiterspielzeug unters Volk zu bringen versuche.

Zahlen zu erwarteten Nutzern von Fire TV wollte Madan nicht verraten. Die Geschäftsmodelle im Spiele- und sonstigen App-Sektor im Bereich "Smart TV" seien die gleichen wie für die Smartphone- und Tablet-Anwendung. Amazon ziele zunächst weiter vor allem auf Gelegenheitsspieler ab, die im Gegensatz zu Konsolenfans nicht bereit seien, sich lange mit einem Game zu beschäftigen und nicht soviel Geld dafür ausgeben wollten. Der Durchschnittspreis von Spielen im Amazon App Store betrage derzeit 1,85 US-Dollar.

Weiter versuchte Madan die versammelten Spieleprogrammierer mit dem Hinweis auf die neue Box zu locken, dass sie über das dortige Application Programming Interface (API) verschiedene Szenarien testen könne, um etwa soziale Netzwerke und andere interaktive Versionen einzubinden.

Einen ähnlichen Weg verfolgt der Konkurrent Google. Jens Bussmann warb in Berlin für die Vorteile der Cloud-Plattform der Kalifornier. "Jeder kann dort die gleichen Werkzeuge nutzen wie die Google-Entwickler", unterstrich der Verkaufsmanager. Darüber ließen sich nicht nur einfach vorgefertigte Dienste integrieren, um Highscores zu speichern oder andere Interaktionsformen in Spiele zu integrieren, sondern es stehe auch eines der weltweit größten Netzwerke zur Verfügung. Für Online-Games verspreche diese Infrastruktur "möglichst wenig Latenz", sodass Spiele ohne langes Warten auf Reaktionen zu genießen sei.

Google arbeitet im Cloud-Bereich derzeit bereits mit einigen Herausgebern und Entwicklerschmieden zusammen, darunter Electronic Arts, Ubisoft, Feo Media oder Rovio, berichtete Bussmann. Bei Epic Games habe ein einzelner Mitarbeiter über die Plattform binnen sechs Wochen mehrere Eigenentwicklungen mit sozialen Funktionen aufgerüstet. Dies habe dazu geführt, dass die Nutzer mehr Zeit mit den Spielen verbrächten.

Generell will Google Bussmann zufolge nicht selbst zum Spiele-Entwicklerhaus werden, sondern Programmierern dabei helfen, die reale und die virtuelle Welt enger zu verbinden. In diesem Sinne gewährte Anne Beuttenmüller vom Google-Ableger Niantic Labs einen Blick hinter die Kulissen des im vergangenen Jahr eingeführten Games Ingress. Bei der Mischung aus "Augmented-Reality"-Spiel, Geocaching und Schnitzeljagd geht es um nichts Geringeres als die Weltherrschaft zu erringen, indem besondere Wahrzeichen in Form von Portalen besetzt werden.

Die Bilanz des Spiels kann sich nach Ansicht Beuttenmüllers sehen lassen. Sie verwies auf mehr als zwei Millionen Installationen in über 200 Ländern. Mitstreiter hätten bereits über fünf Millionen Portale gehackt und rund zwei Millionen eigene eingerichtet. Viele Spieler bereicherten ihre Körper mit Ingress-Tattoos oder kreierten spezielle Kommandozentralen dafür im Auto oder auf Kinderwagen, einzelne seien für Punkte nach Alaska oder Sibirien geflogen. Insgesamt werde Ingress so immer enger ins "normale" Leben einbezogen. Spätestens fürs nächste Jahr kündigte Beuttenmüller eine offene Programmierschnittstelle für das Game an, über die Spieler eigene Versionen entwickeln könnten. (anw)