Experten sehen Nachholbedarf bei Datenschutz

Im Rahmen einer Debatte über "Online Privacy" am Mittwoch in München diskutierten Experten über Datenschutz im Netz und sahen weiteren Änderungsbedarf beim geplanten neuen Bundesdatenschutzgesetz.

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Von
  • Monika Ermert

Nachbesserungsbedarf bei der laufenden Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes meldeten heute Experten bei einer Debatte über "Online Privacy" an, zu der der internationale Marktforschungsverband ESOMAR ins Münchner Künstlerhaus geladen hatte. Dieter Korczak, Geschäftsführer des Instituts für Grundlagen und Programmforschung und ESOMAR-Council-Mitglied, warnte vor den negativen Folgen, die der Rückzieher des Gesetzgebers bei der Offenlegung von Scoring-Verfahren bringe. Die gegen eine Offenlegung von der Kreditwirtschaft ins Feld geführte "Gefährdung von Geschäftsgeheimnissen" könnten sich als das Totschlagargument aller Datamining-Unternehmen entpuppen.

Die Vizechefin des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz (ULD), Marit Hansen, fürchtet um eine aus ihrer Sicht dringend notwendige "Herkunftsklausel" im neuen Datenschutzgesetz. Diese soll Bürgern jeweils transparent machen, wie ein Unternehmen an ihre Daten gelangt ist. Der Nutzer habe auch bei harmlosen Angeboten ein Recht auf diese Information. Technisch seien Mitteilungen über die Datenherkunft einfach zu realisieren. Das sei um so wichtiger, weil der persönliche Auftritt im Netz an Bedeutung zunehme, wie etwa eine Umfrage unter US-Managern ergeben habe.

"Es wird geradezu erwartet, dass man aktiv an seiner Reputation arbeitet", sagte die Datenschützerin. Den oft wiederholten Mahnungen zur Datensparsamkeit an die Bürger – gerade die vom Web 2.0 begeisterte Jugend – steht damit nach Hansens Darstellung eine regelrechte Verpflichtung zum frühzeitigen Selbst-Marketing gegenüber. Doch auch die Mündigkeit nutze den Verbrauchern wenig, wenn sie im Kleingedruckten "über den Tisch gezogen werden", was eine Weitergabe ihrer Daten anbelange, sagte sagte Datenschutzaktivistin und BigBrotherAward-Organisatorin Rena Tangens. Verbraucherinnen und Verbraucher seien da einfach unterlegen.

Technische Lösungen für datenschutz-willige Unternehmen und die Bürger selbst präsentierte IBM-Forscher Thomas Groß, Partner im EU-Projekt PrimeLife für datenschutzfreundliche Technik. So lassen sich Datenschutzregeln jeweils fest an im Unternehmen vorhandene Daten knüpfen. Mit der sogenannten "Sticky Policy" hafte den Daten immer ein Label mit Informationen an, wann und zu welchem Zweck die Daten erhoben worden seien und wie lange sie gespeichert werden dürften. Auf Verbraucherseite arbeitet IBM an Authentifizierungslösungen, die dem Nutzer je nach Kontext erlauben, sich zu legitimieren und dabei doch anonym zu bleiben.

Die Marktforscher fürchten eine solche Ermächtigung der Nutzer keineswegs, unterstrichen Korczak und Hartmut Scheffler, Geschäftsführer TNS Infratest und Vorsitzender des Arbeitskreises Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute (ADM). Die soliden Unternehmen bauten auf freiwillig gegebene Daten. Scheffler unterstrich: "Die Profession hat klare Regeln, wir de-anonymisieren nicht, wir verkaufen keine Daten von Nutzern." Für die in der Online-Forschung zur Anwendung kommenden Cookies etwa müsse man eine Einwilligung einholen und den Zeitraum transparent machen. Der Verbandvertreter warnte vor einem zu lauten Ruf nach schärferen Gesetzen, die dann noch nicht einmal das Label Papiertiger verdienten, weil sich nicht umgesetzt würden. Er befürwortete Aufklärung und Bildung und einen koregulatorischen Ansatz.

Den von Rena Tangens mit nach München gebrachten BigBrotherAward für ADM wies Scheffel mit großer Geste zurück und kritisierte, die Jury habe nicht berücksichtigt, dass man bezüglich des heimlichen Mithörens von Marktforschungsinterviews bereits selbst an einer Neuregelung mitarbeite. Das heimliche Mithören verstoße gegen geltendes Recht, hatte die Jury kritisiert. (Monika Ermert) / (vbr)