Jugendschützer fordern vorinstallierte Porno- und Jugendschutz-Filter für den Internet-Zugang

Unter anderem Siegfried Schneider, Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), will im Rahmen der geplanten Staatsvertragsreform der Länder prüfen, ob eine "Vorinstallierung von Jugendschutzprogrammen" Jugendliche sicherer surfen lässt.

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Regina Käseberg von den Landesjugendbehörden,, Siegfried Schneider von der KJM und Harald Hamann aus der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz (v.l.n.r.) waren sich einig, dass der Jugendschutz bei Internet-Zugängen vorangetrieben werden müsse

(Bild: heise online / Stefan Krempl)

Vertreter von Bund und Ländern haben sich bei einer Diskussionsrunde der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) für den standardmäßigen Einsatz von Pornofiltern auf Endgeräten mit Internetzugang ausgesprochen. KJM-Chef Siegfried Schneider forderte eine offene Diskussion über die "Vorinstallierung von Jugendschutzprogrammen". Dazu bräuchte es "ein transparentes Verfahren zur Pflege der Filterlösungen". Ob diese dann "über Opt-in oder Opt-out" aktiviert beziehungsweise abgestellt werden sollten, sei nachrangig.

Nötig sei eine "flächendeckende Verbreitung" von Jugendschutzprogrammen "auf allen Ausspielwegen", betonte Schneider. Entsprechende Ansätze müssten möglichst wasserfest sein, ähnlich wie bei Pay-TV-Angeboten, die man "immer mit einer PIN freischalten muss". Damit werde in diesem Sektor derzeit "ein Riesenaufwand von Zensur" betrieben.

Überarbeitung der Regeln zum Jugendmedienschutz

Die Rundfunkkommission der Länder hat Ende März einen Entwurf für einen neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) vorgelegt. Der von allen 16 Bundesländern getragene Entwurf will mit Hilfe von Alterskennzeichnungen den technischen Jugendmedienschutz im Internet stärken. Bis Dezember 2014 soll, nachdem eine erste Novellierung unter anderem am Widerstand von Netzaktivisten gescheitert war, der Vertrag paraphiert werden.

Der Jugendschützer machte sich für die Einführung eines "internationalen Klassifizierungssystem für selbstgenerierte Inhalte" stark. Er begrüßte es sehr, dass die Länder die Überarbeitung des "seit 2003" unveränderten Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) wieder auf die Tagesordnung gesetzt haben. Ein erster entsprechender Entwurf spricht sich dafür aus, dass Anbieter von Telemedien sowie Blogger oder Forenbetreiber ihre Webseiten in eine der beiden Altersstufen "ab 12" oder "ab 18" einordnen.

Dabei könne es sich nur um einen ersten Schritt handeln, stellte Schneider klar. Ein besonderes Augenmerk sei auf den technischen Jugendschutz zu legen, da traditionelle Mittel wie eine Sendezeitbegrenzung durch Video on Demand und das grenzenlose Internet in Frage gestellt würden. Eine Weiterentwicklung von Jugendschutzprogrammen gehe freilich nicht zum Nulltarif. Für eine "gute und sichere Finanzierung" müssten daher "die Begünstigten" aus der Wirtschaft mit ins Boot geholt werden, die etwa vor einer Verfolgung fehlerhafter Kennzeichnungen als Ordnungswidrigkeit geschützt würden und ihre mit Altersstufen versehenen Inhalte frei anbieten könnten.

"Wir stehen in der Pflicht, das Verfassungsgut des Jugendschutzes auch im Internet zu gewährleisten", gab Caren Marks, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, als Losung aus. Nutzerautonome Jugendschutzprogramme bilden ihrer Ansicht nach dafür eine "gute Grundlage". Die Filter müssten aber besser und benutzerfreundlicher werden sowie für alle Plattformen zur Verfügung stehen.

Die bislang geringe Verbreitung von Jugendschutzprogrammen liegt laut der SPD-Politikerin teils an der "hohen Bürde", dass Eltern diese auf jedem neuen Gerät installieren und einstellen müssten. Sie plädierte daher für übergreifende Standards für einen Jugendschutz "ab Werk". In dieser Hinsicht müssten sich Firmen stärker engagieren. Generell warb Marks für eine "klare Standortbestimmung" und eine Fortentwicklung der zwischen Bund und Ländern geteilten Aufgaben beim Schutz des Nachwuchses zu einer "wirklichen Verantwortungsgemeinschaft".

Auch Friedemann Schindler, Leiter der Länderinstitution jugendschutz.net, kritisierte den derzeit erforderlichen "zusätzlichen Aufwand" für das Installieren von Filtern. So wie der Sicherheitsgurt in moderne Autos integriert sei, müssten Jugendschutzprogramme auch selbstverständlicher Bestandteil etwa von Betriebssystemen sein. Darüber hinaus müssten Schnittstellen entwickelt werden, um die durchschnittlich in jedem Haushalt hierzulande zu findenden Endgeräte für den Abruf von Medieninhalten mit ihren Filterlösungen gleichzuschalten.

Das Vorantreiben von Jugendschutzprogrammen werde derzeit nur "prekär" finanziert, monierte Schindler. Dabei handle es sich bei diesen um ein Strukturelement, an dem sich Bund und Länder genauso beteiligen müssten wie andere Profiteure, die ihre Inhalte dann ohne weitere Auflagen ins Netz stellen könnten. Um die Technik auf einen angemessenen Stand zu bringen, hält der Jugendschützer eine "gemeinsame Initiative mit eins bis zwei Millionen Euro" für erforderlich, die über einen "Think Tank" gesteuert werden müsste.

"Eine Vorinstallierung würden wir sehr begrüßen", unterstützte die NDR-Jugendschutzbeauftragte Carola Witt die Überlegungen. Die Freiwilligkeit der Nutzung der Filter sieht sie damit weiterhin gegeben. Der öffentlich-rechtliche Sender sei bereit, "in die Denkfabrik einzusteigen". Für die Entwicklung der Lösungen sollten ihr zufolge aber nur die Anbieter zur Kasse gebeten werden.

"Labeln halten wir für sehr sinnvoll", ergänzte Regina Käseberg im Namen der Obersten Landesjugendbehörden. Der vorherige Vorstoß dazu mit dem ersten Anlauf zur JMStV-Novellierung, den das nordrhein-westfälische Parlament nach heftigen Protesten auch aus der kritischen Netzgemeinde 2010 beerdigte, sei nicht wirklich "gescheitert": die Arbeit an dem Konzept sei im Hintergrund weitergegangen. Über die Altersgrenzen sei aber noch zu reden. So sei es fraglich, warum es nach den guten Erfahrungen mit dem fünfstufigen System in klassischen Medien im Internet nur noch zweier bedürfen solle.

Optimistisch, dass die Reform diesmal gelingt, zeigte sich Harald Hammann, Abteilungsleiter in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. Der Länderkoordinator unterstrich, dass der zur Konsultation freigegebene Entwurf bewusst auf Freiwilligkeit setze. Sollte es aber wieder einen "Amoklauf oder sonst was" hierzulande geben, "haben wir eine ganz andere Debatte". Betroffenen Unternehmen empfahl er, mitzuwirken und die in den Vorstoß eingebauten "unabdingbaren Dinge", die auf den Weg gebracht werden müssten, zu unterstützen.

Skeptisch zu der gewünschten Filter-Vorinstallation äußerte sich Martin Drechsler, stellvertretender Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Damit stelle sich bereits die Frage, welches der beiden derzeit von der KJM zertifizierten Schutzprogramme "es sein sollte". Zudem sei es nicht so kompliziert, die entsprechenden Lösungen zu finden und einzurichten.

"Viel zu komplexe Regelungen" im föderalen Jugendschutzgeflecht beklagte Bruno Nikles, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz. Er empfahl, den JMStV in verknappter Form mit dem Jugendschutzgesetz des Bundes zu verschmelzen. Auch die zuständigen Aufsichtsinstitutionen müssten neu zugeschnitten werden und dann als Träger von Schutzprogrammen fungieren. (jk)