Schwindel mit CD-ROM-Nummern (Update)
Ein angeblich neuer Identifizierungsstandard verunsichert derzeit deutsche CD-ROM-Verleger.
Ein angeblicher neuer Standard für eindeutige Identifikationsnummern bei CD-ROMs verunsichert derzeit deutsche Verleger: Eine Heidelberger Agentur wirbt mit der Vergabe von ISCD-Nummern. Diese Nummern sollen der international eindeutigen Identifizierung dienen, analog der ISB-Nummern, die für Bücher vergeben werden. Die ISCD-Nummern, mit deren Vergabe die Agentur beauftragt sei, wären für "größere Verlage ein Muß". Dabei fielen allerdings Gebühren von 10 Mark an. Ferner sei damit ein zusätzlich gebührenpflichtiger Eintrag in ein "VLCD", ein "Verzeichnis Lieferbarer CDs", verbunden. Wahr oder gut erfunden? Wie Recherchen von c't ergaben, ist der ISCDN-Standard jedenfalls ebenso eine Erfindung wie das VLCD.
Nach Aussage von Edith Lechner vom Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) arbeitet weder ihr Institut noch die International Organization for Standardization (ISO) an der Einführung einer gesonderten Nummer zur Identifizierung von CDs. Identifizierungsstandards wie ISSN für Periodika oder ISBN für Bücher "reichen völlig aus, Daten auch auf dem neuen Medium CD-ROM zu identifizieren", sagte sie auf Anfrage von c't. Ein auf CD-ROM publiziertes Buch erhalte genauso wie ein gedrucktes eine ISBN. "Die ISCDN ist eine konstruierte private Erfindung."
Auch das VLCD ist in der Branche unbekannt: Weder bei der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main noch bei der Buchhändler-Vereinigung, der Herausgeberin von Standardverzeichnissen wie dem Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB), gibt es Hinweise auf die Existenz dieses Verzeichnisses. Birgit Schardt von der Redaktion des VLB erklärt darüber hinaus, dass in die bestehenden Verzeichnisse wie etwa das VLB auch CD-ROMs aufgenommen würden. Denn alle CDs, die keine reinen Daten-CDs wie Bild- und Videoclipsammlungen sind, könnten eine internationale Standardnummer erhalten.
Offensichtlich nutzt die ISCDN-Agentur eine weit verbreitete Rechtsunsicherheit im Bereich der neuen Medien aus. Von c't auf den Fall angesprochen will nun der Börsenverein des Deutschen Buchhandels eine rechtliche Prüfung einleiten. "Die Art des Auftretens der Agentur suggeriert eine hoheitliche Legitimation. Dies bedeutet im Sinne des Wettbewerbsrechts eine Irreführung potenzieller Kunden," erklärte Cornelia Pabst von der Rechtsabteilung. Außerdem verletze die Verwendung des Namens "VLCD" die Titelrechte der Buchhändler-Vereinigung. (chr)