Pressefreiheit gerät weltweit stärker in Bedrängnis

Menschenrechtsorganisationen beklagen zum Internationalen Tag der Pressefreiheit zunehmende Beschränkungen der Medien durch Zensur, Verfolgung und Angriffe, wobei in Europa vor allem Italien schlecht abschneidet.

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Menschenrechtsorganisationen beklagen zum bevorstehenden Welttag der Pressefreiheit am 3. Mai weltweit zunehmende Beschränkungen der Medien durch Zensur sowie Verfolgung von und Angriffe auf Journalisten. "Pressevertreter sahen sich 2008 mit einem wieder schwieriger gewordenen Arbeitsumfeld konfrontiert", warnt etwa die zivilgesellschaftliche US-Organisation Freedom House anlässlich der Veröffentlichung ihres Jahresbericht "Freedom of the Press 2009" (PDF-Datei) am heutigen Freitag. Zum siebten Mal in Folge seien – global gesehen – Pressefreiheiten geschmälert worden. Zum ersten Mal müssten dabei aber Verschlechterungen in allen untersuchten Regionen der Erde konstatiert werden. Besonders besorgt zeigt sich die Nichtregierungsinstitution über gravierende Einschränkungen der Pressefreiheit in Hongkong, Italien und Israel, die alle drei ihren Status als sichere Bastionen der Achtung der Arbeitsbedingungen von Journalisten verloren.

"Die journalistische Berufsstand hängt in den Seilen und kämpft ums Überleben, da der von Regierungen, anderen mächtigen Akteuren und der globalen Wirtschaftskrise ausgehende Druck seinen Tribut fordert", moniert die Direktorin von Freedom House, Jennifer Windsor. Die Presse sei die wichtigste Verteidigungsinstanz für die Demokratie. Ihre wachsende Verwundbarkeit habe daher ernsthafte Auswirkungen, wenn die Journalisten ihre traditionelle Wächterrolle nicht mehr ausüben könnten.

Insgesamt hat die Organisation von 195 untersuchten Ländern und Territorien 70 beziehungsweise 36 Prozent in die Kategorie "frei", 61 als "teils frei" und 64 als "unfrei" eingeteilt. Demgegenüber galten ihr 2007 noch 72 Länder als frei, 59 waren im Graubereich und 64 auch schon damals in der untersten Ebene angesiedelt. Nach der neuen Statistik leben nur noch 17 Prozent der Weltbevölkerung in Staaten mit einer freien Presse. Es seien im Vergleich zum Vorjahr doppelt so viele Statusverluste zu verzeichnen gewesen, vor allem in Ostasien. Gezielte Kampagnen zur Unterdrückung unabhängiger Medien seien in Ländern der ehemaligen Sowjetunion, im Mittleren Osten und in Nordafrika durchgeführt worden. In anderen Teilen Afrikas und in Südasien habe es etwa auf den Malediven mit der Annahme einer neuen Verfassung aber auch Verbesserungen gegeben.

Westeuropa gilt laut der Analyse nach wie vor als Region mit der höchsten Achtung der Pressefreiheit. Italien könne aber erstmals nur noch in die Stufe "teils frei" eingeordnet werden. In dem Mittelmeerland sei die Meinungsfreiheit 2008 durch Gerichtsurteile und Gesetze vehement eingeschränkt worden. Dazu kämen Einschüchterungen von Journalisten durch die organisierte Kriminalität und rechtsextreme Gruppierungen sowie Bedenken über die wachsende Medienkonzentration unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Zudem würden autoritäre Regimes ihre Kontrolle der Presse weiter ausdehnen: So sei der Raum für unabhängige Medien in den vergangenen fünf Jahren etwa in Russland, Äthiopien und Gambia deutlich geschrumpft. Das Ende der Fahnestange würden nach wie vor Länder wie Burma, Kuba, Libyen, Nordkorea und Turkmenistan bilden.

Die Ergebnisse der Studie zur Pressefreiheit decken sich nicht nur weitgehend mit denen des im Januar von Freedom House vorgestellten Reports zu Freiheitsrechten allgemein, sondern auch den Erkenntnissen von Reporter ohne Grenzen (ROG). Die in Frankreich gegründete Organisation hat erste Teile ihrer jährlichen Liste der "Feinde der Pressefreiheit" veröffentlicht, auf der sie die "40 repressivsten Akteure und Institutionen" benennt. Darunter sind nicht nur Regierungen, sondern auch paramilitärische und terroristische Gruppen, Rebellen und kriminelle Netzwerke. Ein Beispiel ist Mexiko mit den Drogenkartellen in Tijuana, Sinaloa, Ciudad Juárez und der Golf-Region. Die Hälfte der mindestens 46 seit dem Jahr 2000 in Mexiko ermordeten Journalisten hätten zum Thema Drogenhandel und den dahinter stehenden Drahtziehern recherchiert.

Neu aufgenommen auf die schwarze Liste hat die Vereinigung Italien, da dort Medienmitarbeiter bei Berichten über mafiöse Gruppen verstärkt in die Schusslinie geraten. Zugleich beklagt die Organisation, dass das Ausmaß von Folgen von Menschenrechtsverstößen in Ländern wie Sri Lanka, Afghanistan, Irak oder Somalia oft schwer auszumachen seien, weil unabhängige Berichterstatter keinen Zutritt zu den Regionen hätten. "Ganze Landstriche sind 'blinde Flecken der Informationen': Wir können die Lebenssituation der Menschen nur erahnen", sorgt sich ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Informationskontrolle sei zu einem strategischen Ziel vieler Armeen und bewaffneter Gruppen geworden. Mit einer Protestaktion am Samstag in Berlin vor dem Brandenburger Tor will die Organisation auf die erzwungenen "Leerstellen" in der Berichterstattung hinweisen: Es soll eine Käfig-Installation zu sehen sein, in der Menschen in Notsituationen ohne Gesicht stellvertretend für "wehr- und namenlose Opfer" gezeigt werden. (Stefan Krempl) / (cm)