Widerstand gegen BKA-Gesetz: Union empört, Polizeiverbände kritisch

Vertreter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sehen keinen Verhandlungsspielraum mehr bei heimlichen Online-Durchsuchungen und den umkämpften Kompetenzerweiterungen des Bundeskriminalamts. Alle Polizeigewerkschaften fordern allerdings ebenfalls Korrekturen.

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Vertreter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind empört, dass der Bundesrat die umkämpfte Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) voraussichtlich nicht mittragen und den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament anrufen will. Er sei nicht bereit, über Verhandlungsoptionen zu sprechen, erklärte der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger. Auch Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach fragt sich, was das "Ziel der Übung" erneuter Gespräche nach dem in zähen Runden erreichten Kompromiss mit der SPD im Bund sein solle. Es dürfe nicht angehen, dass dem BKA im Vermittlungsverfahren "jetzt noch die zentralen Befugnisse aus der Hand geschlagen werden". Die Sozialdemokraten seien im Bereich innere Sicherheit offensichtlich kein guter Koalitionspartner.

Der Zorn des innenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl, richtete sich am gestrigen Montag vor allem gegen den Widerstand der SPD in Sachsen gegen die massive Befugniserweiterung der Wiesbadener Polizeibehörde, der mit dem Segen des Parlaments unter anderem eine Lizenz für heimliche Online-Durchsuchungen eingeräumt werden soll. Am Sonntag hatte ein SPD-Landesparteitag in Sachsen auf Anraten der Jusos die sozialdemokratischen Vertreter in der Dresdner schwarz-roten Landesregierung aufgefordert, in der Länderkammer Ende November nicht für das BKA-Gesetz zu stimmen. "Mit diesem linken Gerülpse aus Sachsen lässt sich doch nichts anfangen", wetterte Uhl nun laut einem Bericht der taz. Die Forderungen aus Dresden hätten "Stammtischniveau" und würden das Lesen nicht lohnen. Die "Aufbauarbeit vieler Jahre" werde damit einfach eingerissen.

Im Bundesrat herrschen aber auf breiter Front schwere Bedenken gegen das Vorhaben, die nicht zuletzt mit alten föderalen Rivalitäten um die Kompetenzen von Landespolizeien und BKA zusammenhängen. So verlangt die SPD auch in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein Nachbesserungen. Zudem zeichnete sich Ende vergangener Woche bereits ab, dass alle Länder, in denen die FDP, Linke und Grüne mit an der Macht sind, gegen das Vorzeigeprojekt des Bundes zur Terrorismusbekämpfung votieren wollen.

Unterstützung erhalten die Abweichler im Bundesrat inzwischen just von allen drei Polizeigewerkschaften. "Wer mit dem BKA-Gesetz in der Hand mit dem Kopf durch die Wand will, der steht am Ende mit leeren Händen da", zeigte sich der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" nicht unerfreut über die Haltung der Länder. Er hatte zuvor die Ansicht vertreten, dass die Novelle in ihrer jetzigen Form vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern werde. Seine Kritik richtet sich genauso wie die aus anderen Polizeikreisen vor allem gegen die laxe Umsetzung der Vorgaben zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung beim Einsatz des Bundestrojaners. Hier sprach auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) von einer "Billig-Lösung" ohne durchgängige Einbindung von Richtern. "Union und SPD haben in einigen Punkten faule politische Kompromisse gemacht, die vom Tisch gehören", befand zudem Klaus Jansen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er hält eine Eilfallregelung für den verdeckten Zugriff auf IT-Systeme fachlich nicht für nötig.

BKA-Präsident Jörg Ziercke fürchtet derweil um die – von Kritikern generell angezweifelte – Praxistauglichkeit der Regelung zum Ausspähen von Festplatten. "Wenn es noch weitere Kompromisse geben sollte, dann machen wir im Grunde die Online-Durchsuchung unbrauchbar", sagte der Sozialdemokrat im rbb-Inforadio. Das Instrument sei schon stark eingeschränkt, da die Ermittler für das Aufspielen der Spionagesoftware nicht heimlich in Wohnungen Verdächtiger eindringen dürften. Die Eilfallbestimmung sei nötig. Wenn ein Terrorverdächtiger online sei, müssten die Beamten "von Sekunde zu Sekunde" entscheiden können, ob sie die technischen Mittel zum Ausspähen des Systems in Stellung bringen.

Die SPD im Bund will genauso wie die Union offiziell am Gesetz festhalten, erklärte Parteigeneralsekretär Hubertus Heil. Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, versteht den Protest in den Ländern nicht. "Dieses Gesetz ist so gut, so notwendig, so überzeugend, dass man ihm mit guten Gründen nicht die Stimme versagen kann", betonte er im Bayerischen Rundfunk. Sollte es tatsächlich zu einem Vermittlungsverfahren kommen, das die Union im Rahmen der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern Ende der Woche noch abwenden will, werde man aber sicher über den ein oder anderen Punkt reden können.

Zu den technischen und rechtlichen Details der heimlichen Online-Durchsuchung und des Bundestrojaners bringt c't in der kommenden Ausgabe 25/08 (ab Montag, den 24. 11., im Handel) einen Hintergrundartikel:

  • Windei Bundestrojaner, Online-Durchsuchung vs. Gewährleistung von Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, c't 25/08, S. 86

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)