Soziales mit Spin

Upworthy ist eine der am schnellsten wachsenden Webseiten – und zwar mit gesellschaftlich wichtigen Themen. Technology Review befragte die Gründer, wie das funktioniert.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Brian Bergstein

Upworthy ist eine der am schnellsten wachsenden Webseiten – und zwar mit gesellschaftlich wichtigen Themen. Technology Review befragte die Gründer, wie das funktioniert.

Upworthy produziert kaum eigene Inhalte, sondern hebt Videos hervor, die Nutzer ins Netz stellen: über gleichgeschlechtliche Ehen, Gesundheitsreformen, Rassenvorurteile, Gleichberechtigung und andere Themen, die ihre Macher interessant finden. Gegründet haben die Seite Eli Pariser, der den linken Flügel der politischen US-Bewegung "MoveOn" geleitet hat, und Peter Koechley, früher bei der amerikanischen Satirezeitschrift "The Onion". Sie wollen auf diese Weise progressive Inhalte möglichst schnell und weit, also viral, verbreiten.

Technology Review: Sie sorgen mit Upworthy regelmäßig dafür, dass sich Videos über wichtige soziale Themen viral verbreiten. Wie schaffen Sie das?

Eli Pariser: Hunderte Millionen, wenn nicht gar Milliarden von Videos werden jeden Monat hochgeladen. Unsere Mitarbeiter suchen gezielt nach den paar hundert, die wichtige Themen behandeln und dabei aussagekräftig und vor allem sehr fesselnd sind. Wir nutzen dafür verschiedene Tools, aber letztendlich beruht das System auf der Entscheidung der Content-Manager und deren Fähigkeit, Videos, Charts oder Grafiken aufzuspüren, die sie umhauen.

TR: Und dann formulieren sie Überschriften, die zu Upworthys Markenzeichen geworden sind – gespickt mit Superlativen wie "der Größte", "der Schrecklichste", "der Furchterregendste". Warum muss es unbedingt so klingen, als würde der nächste Klick das Leben der Leser verändern?

Peter Koechley: Über die Headlines bringen wir jemanden dazu, sich ein siebenminütiges Video über Depressionen oder zwölf Minuten über den Klimawandel anzusehen. Wenn wir schreiben würden: "Das ist ein 12-Minuten-Video über Klimawandel", dann können wir sicher sein, dass die Leute das nicht anklicken. Aber wenn wir sie bei ihrer Neugier oder ihren Interessen packen, dann bringen wir ihnen Inhalte nahe, die sie wirklich gern sehen wollen.

Pariser: Normalerweise schreiben die Content-Manager etwa 25 Überschriften und wählen dann vier zum Testen aus. Manchmal wechseln sie sie auch mehrmals hintereinander. Wir arbeiten ähnlich wie ein Kabarettist, der vor dem großen Auftritt in New York erst mal in Minnesota testet, worüber die Leute lachen. Aber Sie werden Ihren Stil verändern müssen, wenn Sie sich weiterhin abheben wollen.

TR: Überschriften im Upworthy-Stil sind heute überall im Netz.

Koechley: Absolut. Wir testen jeden Tag eine ganze Batterie an neuen Stilen, Formaten und Ideen.

TR: Eli Pariser, Sie kritisieren in Ihrem Buch "The Filter Bubble", wie das Internet Nutzern gezielt nur die Informationen anbietet, die sie aufgrund ihrer individuellen Suchgeschichte angeblich lesen wollen. Da ist es schon enttäuschend, dass Upworthy immer wieder über die gleichen Inhalte berichtet und nicht wirklich zu liberalen Ansichten anregt. Sie gehen auf Nummer sicher.

Koechley: Unser primäres Ziel war, Leute dazu zu bekommen, sich am Tag wenigstens fünf Minuten mit wichtigen sozialen Themen zu beschäftigen. Wir haben eine Plattform entworfen, die Nutzer dazu anregt, neue Ansichten zu entwickeln oder ihre bisherigen zu überprüfen. Wir planen aber noch dieses Jahr auch Inhalte, in die wir bislang noch nicht tiefer eingedrungen sind. So haben wir zum Beispiel eine Partnerschaft mit der Gates Foundation, um über Gesundheit und Armut zu berichten.

TR: Es gibt kaum Anzeigen auf der Seite. Wie wollen Sie Geld verdienen?

Pariser: Wir haben uns bislang vor allem um den Aufbau unserer Community gekümmert. Aber wir testen gerade einige Optionen dafür, Einnahmen zu erzielen. Uns gefällt das Modell, bei dem eine Stiftung oder eine ähnliche Gruppe unsere redaktionelle Arbeit zu bestimmten Inhalten finanziell fördert. (bsc)