Bundestag streitet über Kinderporno-Sperren

Abgeordnete der Opposition haben den Gesetzesentwurf zur Erschwernis des Zugangs zu kinderpornographischen Seiten scharf kritisiert. Die SPD fordert eine Ausweitung auf Jugendpornographie; die CDU wirft Gegnern vor, Wertmaßstäbe verloren zu haben.

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Bei der ersten Lesung des Gesetzesentwurfs zur Sperrung kinderpornographischer Seiten am heutigen Mittwoch im Bundestag verteidigten Vertreter der Regierungsparteien das maßgeblich von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) initiierte Vorhaben gegen die von Oppositionspolitikern erneut vorgebrachte scharfe Kritik. Für eine Ausweitung des Entwurfs trat die SPD-Abgeordnete Renate Gradistanac ein. "Wir halten es für sinnvoll, Jugendpornographie mit einzubeziehen", sagte die Sozialdemokratin im Namen der Jugendpolitiker ihrer Fraktion und forderte "konsequente Gesetzgebung". Nach der UN-Kinderrechtskonvention gelte jeder Mensch unter 18 Jahren als Kind und pornographische Darstellungen Minderjähriger seien hierzulande allgemein unter Strafe gestellt. Nach dem Entwurf müssten Webseiten mit entsprechenden Bildern aber nicht blockiert werden.

Vertreter der Opposition bekräftigten ihre bereits im Vorfeld der Debatte geäußerten Vorbehalte gegen die Initiative. Einschlägige Webseiten müssten konsequent gelöscht, die Täter verfolgt werden, betonte Max Stadler von der FDP-Fraktion. Der Liberale zweifelte die Zuständigkeit des Bundes an, da die Abwehr von Straftaten Ländersache sei. Sorgen bereitet dem FDP-Politiker, dass mit dem Bundeskriminalamt (BKA) allein eine Polizeibehörde Vorgaben für schwere Eingriffe in die Grundrechte machen solle. Um eine Seite auf die Sperrliste zu nehmen, "braucht es mindestens einen Richtervorbehalt". Der FDP fehle zudem der Glaube, dass eine Ausweitung der Blockaden auf andere Zwecke nicht beabsichtigt sei. Unterdessen bereitet die FDP-Fraktion auf Basis eines vom AK Zensur zusammengestellten Fragenkatalogs eine kleine Anfrage an die Bundesregierung vor.

Jörn Wunderlich von der Linken bemängelte, dass der Vorstoß "nur einen löchrigen Sichtschutz" gegen Kinderpornos aufstelle. Der Bundesregierung warf er unter Hinweis auf einen c't-Artikel vor, nur vermeintlich "unwiderlegbare Fakten" zur Begründung der Maßnahme heranzuziehen. Zu 90 Prozent stünden gar keine kinderpornographischen Seiten auf skandinavischen Sperrlisten. So bleibe die "Sorge vor Zensur und Internetüberwachung". "Das Gesetz fällt in dieser Form durch den Rechtsstaat-TÜV", meinte Wolfgang Wieland von den Grünen. Wer tatsächlich Stopp mache bei der Blockade, dessen IP-Adresse stünde "perverserweise für die Strafverfolgung zur Verfügung". Er sei "sehr bestürzt", dass so eine "ständige Beschlagnahmemöglichkeit für die Polizei" geschaffen würde.

Sprecher der Bundesregierung und der großen Koalition verteidigten die Initiative. "Das Internet leistet den traurigen Dienst, manchmal allein über die technischen Möglichkeiten die gewerbsmäßige Verbreitung von Kinderpornographie zu unterstützten", erklärte Hartmut Schauerte, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, zum Auftakt der Debatte. Die Sperrmaßnahmen seien in anderen Ländern längst "gesellschaftlich akzeptiert". Daher würden nun auch in der Bundesrepublik "alle großen Internetzugangsanbieter" verpflichtet, den Zugang "zu strafbaren, insbesondere kinderpornographischen Inhalten" zu erschweren. "Wir gehen mit Festigkeit und Vorsicht an dieses Thema heran", sagte Schauerte.

"Verschwörungstheoretiker" würden behaupten, der Entwurf wäre der Anfang der Ende von der Internetfreiheit, wies die CDU-Bundestagsabgeordnete Michaela Noll die Kritik als "Unterstellungen" zurück. Eine "Black Box" wolle niemand. Ihr Parteikollege Ingo Wellenreuther warf Gegnern vor, "die Wertmaßstäbe verloren" zu haben. Wer den vorgeschlagenen Ansatz mit chinesischer Zensur vergleiche, "ist vollkommen auf dem falschen Dampfer". Weltweit seien 11 Millionen kinderpornographischer Bilder im Internet im Umlauf, mit denen jährlich ein Umsatz von fünf Milliarden Euro erzielt werde. Dahinter stünden 120.000 vergewaltigte Kinder.

Unterdessen hat eine Online-Petition gegen den Gesetzesvorschlag mittlerweile über 35.000 Unterzeichner und brachte Anfang der Woche den Server teils zum Erliegen. Das zugehörige Diskussionsforum haben die Moderatoren inzwischen unter Hinweis auf angebliche Regelverstöße geschlossen. Hauptpetentin Franziska Heine begründet ihren Vorstoß damit, dass die geplanten Maßnahmen nicht dazu geeignet seien, Kinder vor Missbrauch zu schützen oder die Verbreitung von Kinderpornographie zu verhindern. Ein Antrag von Sperr-Befürwortern hat nach über zwei Wochen erst knapp über 100 Unterstützer.

Ferner hat sich die Gütersloher Beratungsstelle "Trotz Allem", die sich an Frauen richtet, die als Kinder Opfer sexualisierter Gewalt wurden, am Dienstag in einem offenen Brief (PDF-Datei) an die Bundesfamilienministerin gewandt. Darin bemängelt die Vereinigung, dass der vorgeschlagene Weg "nicht zur Lösung des Problems und schon gar nicht zum Schutz der Opfer führt". Das Gesetz könne man sich sparen, erklärte auch eine Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC) auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland in Leipzig. Die eigentlich geheime Filterliste werde schon bald im Internet zu finden sein – damit hätten Kinderporno-Konsumenten eine perfekte Anleitung.

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(Stefan Krempl) / (vbr)