US-Gericht: 873 Millionen Dollar Geldstrafe wegen Spam-Versand über Facebook

Ein Gericht in Kalifornien hat die bislang höchste Geldstrafe verhängt, die je wegen des Verschickens von Spam ausgesprochen wurde. Ob das klagende Sozial-Netzwerk Facebook das Geld jemals sehen wird, ist allerdings höchst fraglich.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Während sich die Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika nach Aussagen ihres künftigen Präsidenten in einem "Teufelskreis" befindet und eine "Krise historischen Ausmaßes" befürchtet wird, überschlagen sich US-Gerichte mit immer neuen Rekorden bei Strafzahlungen wegen des Versendens von Spam-Nachrichten. Lagen die Strafen bis zum Jahr 2008 maximal im einstelligen Millionenbereich, katapultierte der US District Court in the Central District of California den Rekord im Mai dieses Jahres auf schwindelerregende 230 Millionen US-Dollar. Bestraft wurden zwei Spammer, die sich per Password-Phishing unberechtigten Zugang zu Konten der Social-Networking-Plattform MySpace verschafft und unter deren Namen Spam-Nachrichten an andere MySpace-Mitglieder verschickt hatten.

Dass aber auch noch weit mehr geht, bewies jetzt ein Richterkollege vom US District Court in the Northern District of California in San Jose: Er verhängte eine Strafe von sage und schreibe zweimal 436 638 600 US-Dollar gegen Spammer, die im März und April dieses Jahres gut 4 Millionen Spam-Nachrichten über das interne Messagesystem von Facebook verschickt haben sollen – was insgesamt mehr als 873 Millionen Dollar macht. Hauptbeklagter war ein vermutlich 32-jähriger Kanadier aus Montreal, der die Firma Atlantis Blue Capital mit Sitz in Panama City sowie diverse Webseiten betreibt. Folgt man den veröffentlichten Gerichtsunterlagen, gelang es einer kanadischen Privatdetektivin Mitte August eine Person mit dem Namen Adam Guerbuez in Montreal ausfindig zu machen und dieser Person die Klageschrift sowie weitere Gerichtspapiere zu überreichen.

In der Klageschrift warfen die Facebook-Anwälte dem Beschuldigten "nach Wissen und Glauben" vor, sich widerrechtlich Zugang zu Mitglieder-Accounts verschafft zu haben und diese anschließend über "Scripts" oder "Bots" zum Versenden von Spam missbraucht zu haben. Genutzt worden sei dabei auch die sogenannte Wall-Funktion von Facebook, ein Art Schwarzes Brett für Nutzer des Netzwerks. Mit seinen Aktionen habe der Beschuldigte gegen den im Jahr 2004 in Kraft getretenen CAN-SPAM Act (Controlling the Assault of Non-Solicited Pornography and Marketing Act), den "Computer Fraud and Abuse Act" sowie gegen den "California Penal Code §502" verstoßen, heißt es in der Klageschrift. Erschwerend, so die Anwälte, komme hinzu, dass Facebook-Nutzer über die Spam-Nachrichten mit Werbung für anstößige Dinge wie Marihuana, Pillen für Penisverlängerungen und andere Produkte mit sexueller Ausrichtung konfrontiert worden seien.

Da Facebook als Folge der Handlungen eine "erhebliche Beschädigung seines guten Namens" und auch "wirtschaftliche Einbußen" in einer Größenordnung von mindestens 5000 Dollar erlitten habe, forderten die Anwälte den zuständigen Richter am US-Bezirksgericht auf, den Beschuldigten wegen Verstößen gegen die drei oben genannten Rechtsvorschriften zur künftigen Unterlassung und zu Schadenersatz zu verurteilen. Nun hätte der Beklagte die Chance gehabt, sich zu den Vorwürfen zu äußern – was er aber nicht tat. Vielmehr ist der Kanadier nach Angaben eines weiteren Privatdetektivs seit Anfang Oktober nicht mehr auffindbar. Wie schon im Fall der MySpace-Spammer beantragte die Klägerseite daraufhin ein sogenanntes Säumnisurteil, bei dem allein auf Basis der aktuellen Aktenlage entschieden wird – und die bestand bis Ende vergangener Woche allein aus den Vorwürfen Facebooks.

Nach dem Urteil von Richter Jeremy Fogel muss Adam Guerbuez nicht nur 436 638 600 US-Dollar gesetzlichen Schadenersatz und 436 638 600 US-Dollar erweiterten Schadenersatz (jeweils 100 Dollar pro Spam-Nachricht) zahlen, sondern auch die Anwaltskosten der Gegenseite und die Gerichtskosten tragen. Dass Facebook das Geld jemals sehen wird, glaubt aber selbst das Unternehmen nicht: Im firmeneigenen Blog erklärte Sicherheitschef Max Kelly, man gehe nicht davon aus, dass Guerbuez oder seine Firma jemals für die ausgesprochenen Strafen werde aufkommen können. Man werde aber alles daran setzen, zumindest ein Teil des Geldes zu bekommen. Facebook begrüße das Urteil gleichwohl als "wichtigen Sieg für unsere Benutzer und gegen Spam und diejenigen, die ihn erzeugen". (pmz/c't) / (fr)