NSA-Skandal: Sascha Lobo wirft Netzgemeinde Versagen vor

In einer kämpferischen Rede hat Sascha Lobo die Netzgemeinde auf der re:publica für ihren Umgang mit dem NSA-Skandal kritisiert. Petitionen reichten nicht – Lobbyarbeit sei nötig. Und für den Fall, dass die nicht komme, drohte er den Zuhörern.

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In seiner Rede auf der re:publica hat Sascha Lobo die Netzgemeinde mit harten Worten für ihr zunehmendes Desinteresse am Skandal um die Totalüberwachung durch NSA und Konsorten kritisiert. Obwohl sich seit Beginn der Snowden-Enthüllungen im Prinzip nichts verändert habe, ernte inzwischen Skepsis, wer den NSA-Skandal thematisiere. Wenn aber in einem Raum "ein Tyrannosaurus Rex auf Speed ist, hat der kleine bunte Pudel vielleicht nicht Priorität", redete er denen ins Gewissen, die sich immer öfter ablenken ließen.

Sascha Lobo während seiner Rede

(Bild: DAVIDS/Gregor Fischer, CC BY-SA 2.0 )

Den Deutschen ist die Bekassine wichtiger als das Internet, sagte Lobo gleich zu Beginn seiner mehr als einstündigen "Rede zur Lage der Nation", um dieses Desinteresse nachzuweisen. So gebe es etwa den Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV), der sich mit seinen rund 120 Mitarbeitern im vergangenen Jahr für diesen Vogel des Jahres eingesetzt habe. Andere Vogelschutzorganisationen täten es ihm gleich und erhielten dafür das "Geld von euren Eltern". Der Kampf für die Festschreibung der Netzneutralität im Europaparlament sei dagegen von zwei Festangestellten – aus Deutschland und Österreich – geführt worden, weil Vereinen wie der Digitalen Gesellschaft das Geld fehle. Es reiche eben nicht, den Link zu einer Petition zu retweeten.

Auch die Enthüllungen des NSA-Skandals hätten an dieser Unterfinanzierung der deutschen Lobby für das Internet nichts geändert. Dabei habe die aufgedeckte Totalüberwachung ein Ausmaß, das sich noch vor einem Jahr die wenigsten hätten vorstellen können. Um das zu untermauern, versuchte sich Lobo daran, nur die wichtigsten Entwicklungen seit Juni 2013 zu rekapitulieren, gab aber ob der schieren Masse schließlich auf. In der Politik werde inzwischen schon wieder recht unverhohlen versucht, den Überwachungsskandal zu beenden, der Widerstand dagegen schwinde.

Das Publikum auf der re:publica

(Bild: republica/Gregor Fischer, CC BY-SA 2.0 )

Deswegen beließ es Lobo auch nicht bei seiner Kritik an den Zuhörern, sondern griff auch die Bundesregierung scharf an. Die drohe inzwischen vergleichsweise unverhohlen jenem parlamentarischem Gremium, das mit der Aufklärung der NSA-Überwachung befasst ist, und behindere dessen Arbeit. Es sei "eine Unverschämtheit und eine Katastrophe, was derzeit mit der Nichtaufklärung des NSA-Spähskandals passiert". Trotz des Stasi-Vergleichs, den Bundeskanzlerin Merkel Obama entgegengeschleudert habe, komme sie wohl nicht zur Einsicht über die Tragweite der Überwachung.

Zum Ende seiner Rede forderte Lobo Widerstand gegen die Überwachung auf den verschiedensten Ebenen. So sollten zuerst die Begrifflichkeiten überdacht werden und die Täter klar benannt werden. Die Überwacher seien "Spähradikale", die der Demokratie schaden. Deswegen müsse man sie "Anti-Demokraten" schimpfen. Ihr Verweis darauf, dass sie der Sicherheit dienten, sei nichts als "Sicherheitsesoterik", die nicht belegt sei. Sie nähmen keine Eingriffe vor, sondern führten Angriffe auf das Netz aus, die als solche benannt werden müssten. Ansonsten drohe eine Akzeptanz der Überwachung.

Den "Internet-Verstehern" – einen Begriff, den er als positiv verstanden wissen will – stünden nicht mehr die Internet-Ausdrucker gegenüber, sondern die, die das Internet missbrauchten. Da es keinen anderen Weg als über die Politik gebe, um gegen sie vorzugehen, müsste man sich der zuwenden. Vorige Generationen hätten das etwa mit der Umweltbewegung vorgemacht. Man müsse Druck ausüben und ganz opportunistisch auch Vertreter der Wirtschaft als Partner gewinnen. Lobby-Arbeit für das Internet sei kein Hobby mehr. Wenn sich aber niemand finde, drohte er dem Publikum zum Schluss, dann werde er das selbst übernehmen. Dafür habe er sich die Domain "netzgemeinde.de" gesichert, auf der er sonst in deren Namen sprechen wolle.

(mho)