Innen- und Justizrat der EU fordert Einschränkung anonymer Telekommunikation

Der Rat der Innen- und Justizminister hat sich für die bessere Bekämpfung der missbräuchlichen und anonymen Nutzung elektronischer Kommunikation ausgesprochen. Der Streit um ein EU-Flugpassagierdatensystem dauert an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 150 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Der Innen- und Justizrat der EU hat in seiner Sitzung am heutigen Donnerstag in Brüssel eine Entschließung (PDF-Datei) zur besseren Bekämpfung der missbräuchlichen und anonymen Nutzung elektronischer Kommunikation gefasst. Dabei geht es vor allem um den Einsatz von Mobiltelefonen mit Prepaid-Karten bei der Planung oder Durchführung von Straftaten, die einen Rückschluss auf konkrete Anwender erschweren. Wichtig erscheint den Ministern daher, den Käufer einer vorausbezahlten SIM-Karte identifizieren zu können. Anders als in Deutschland besteht eine entsprechende Pflicht noch nicht in allen Mitgliedsstaaten.

Die EU-Kommission soll dem Rat daher bis September 2010 eine Übersicht über die vorhandenen Lösungen dieses Problems in den Mitgliedsstaaten liefern. Notfalls machen sich die Innenminister für eine EU-weite gesetzliche Regelung stark, um die Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste zurückverfolgen zu können. Dabei sei in Ergänzung zu den EU-Vorgaben zur Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten auch über eine "angemessene Vorhaltung von Daten zur Identifizierung von Telefonnutzern" zu erwägen. Die Verarbeitung personenbezogener Daten sei aber im Einklang mit der Richtlinie zum Datenschutz in der elektronischen Kommunikation "auf ein Minimum" zu beschränken. Dabei müssten auch anonyme oder pseudonoymisierte Daten zum Einsatz kommen, "wann immer dies möglich ist". Weiter soll sich die Kommission Gedanken machen, wie zum Beispiel Mitteilungen per Instant Messaging rückverfolgt werden könnten, falls diese etwa von einem mobilen Computer aus versandt werden.

Ebenfalls verabschiedet haben die Innenminister einen Beschluss (PDF-Datei) zur Implementierung eines Frühwarnmechanismus im geplanten Schengener Informationssystem (SIS) II für Bedrohungen durch Terrorismus und organisierte Kriminalität. Demnach sollen nationale Behörden Personen, die einen Visa-Antrag gestellt haben, nach Warnhinweisen über sie im SIS hin überprüfen dürfen.

Die französische Innenministerin Michèle Alliot-Marie gab als Vertreterin der Ratspräsidentschaft bekannt, dass sich die Regierungsvertreter auf den Beitritt der Schweiz zum Schengenraum verständigt hätten. Die Schweizer selbst müssen aber noch darüber abstimmen und dabei die Vorgaben der EU zur freien Bewegung der Bürger im Schengengebiet akzeptieren. EU-Justizkommissar Jacques Barrot bezeichnete SIS insgesamt als "ausgesprochen leistungsfähiges System". Enthalten seien Fingerabdrücke und "alles, was man braucht, um zu schauen, wer denn so in die EU einreist". Dabei könnten Verdächtige ausfindig gemacht werden "oder Leute, die gesucht werden".

Keine Einigung konnten die Innenminister einmal mehr im Streit um ein EU-System zur Vorhaltung und Auswertung von Flugpassagierdaten erzielen. Bei den Plänen zum Aufzeichnen von Passenger Name Records (PNR) "sind wir weitergekommen", versicherte Alliot-Marie zwar. Auf die gravierenden Bedenken des Parlaments habe man "Antworten gefunden". Es gebe aber noch Auseinandersetzungen und offene Fragen. Barrot räumte ein, dass es noch unklar sei, ob und wann ein EU-PNR-System seine Arbeit aufnehme. Der Franzose betonte, dass es nützlich sein könnte beim Erkennen von Verbrechen. Als Beispiele nannte er die Bekämpfung des Menschen- und Drogenhandels. Zuvor lautete das Hauptargument für die Überwachungsmaßnahme, dass damit der Terrorismus besser bekämpft werden könnte. Frankreich hatte zuletzt eine deutliche Ausweitung der Sammlung von Passagierdaten etwa unter Einbezug innereuropäischer Flüge sowie von Bahn- oder Schiffsreisen vorgeschlagen. (Stefan Krempl) / (anw)