BKA-Gesetz noch nicht vom Tisch

Die Bundesregierung will im Streit über die Ausweitung der Befugnisse für das Bundeskriminalamt den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat anrufen, nachdem die Länder das Vorhaben zunächst ablehnten.

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Die Bundesregierung will in der heftigen Auseinandersetzung um die Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat anrufen. Das Bundeskabinett werde am kommenden Mittwoch das Vermittlungsverfahren einleiten, kündigte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg an. Zuvor hatte die Länderkammer das vom Bundestag beschlossene Vorhaben, das dem BKA weite Befugnisse unter dem Aufhänger der Terrorbekämpfung einschließlich heimlichen Online-Durchsuchungen an die Hand geben soll, komplett mit großer Mehrheit abgelehnt. Neben Ländern, in denen die FDP, die Grünen oder Linke mit an der Macht sind, stimmten auch Ministerpräsidenten in einer SPD-Regierung nicht für die Aufrüstung des BKA.

Während der Sitzung im Bundesrat warb Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble einmal mehr für die Annahme des Gesetzes: "Die Befugnisse der Polizeibehörden müssen den technischen Entwicklungen folgen." Der CDU-Politiker verwies auf die große Zustimmung bei den Landesinnenministern: 15 von 16 seien für das Gesetz. Mit den neuen Kompetenzen für das BKA würden die Zuständigkeiten der Landespolizeien in keiner Weise eingeschränkt. Für den Fall, dass das Gesetz nicht zustande komme, gelte aber: "Auch auf der gegebenen rechtlichen Grundlage ist die Bundesrepublik Deutschland ein sicheres Land." Kurz vor der Abstimmung hatte Schäuble Bundesrat und dem Parlament eine enge Frist gesetzt. Der Innenminister will demnach eine Einigung noch vor Weihnachten, sonst werde die Bundesregierung das jahrelang umkämpfte Vorhaben zu den Akten legen.

Der Vorsitzendes des Innenausschusses des Bundestags, Sebastian Edathy, kritisierte Schäuble heftig und machte sich für Nachbesserungen stark. "Schäubles Einstellung – alles oder nichts – ist die falsche Haltung. Der Bundesinnenminister sollte die Größe und Souveränität haben, die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zu respektieren und sich zu Kompromissen bereit zeigen", sagte der SPD-Politiker der "Leipziger Volkszeitung". Das Gesetz dürfe im Vermittlungsausschuss zwar nicht auf den Kopf gestellt werden, müsse aber stellenweise überarbeitet werden. Konkret sprach sich Edathy für eine kürzere Befristung von Online-Razzien bis 2012 aus. Bei den Einschränkungen beim Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten, Ärzten und Anwälten sieht er dagegen keinen Handlungsbedarf: "Ich kann hier keinen Angriff auf die Pressefreiheit erkennen."

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (beide CDU) zeigten sich zuversichtlich, dass das Gesetz in der letzten Bundesratssitzung vor Weihnachten am 19. Dezember verabschiedet werden kann. Ein Vermittlungsausschuss werde sich über das Gesetz in "wenigen Minuten" einig, meint Böhmer. Im Prinzip will auch die SPD das Gesetz, ihre Landespolitiker bestehen aber auf Änderungen in drei Punkten. Dies machte der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) nach der Abstimmung erneut deutlich. Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) trat dafür ein, auch in Eilfällen bei verdeckten Online-Durchsuchungen immer einen Richter einzuschalten. In Berlin habe rund um die Uhr ein Richter Bereitschaftsdienst. Eine Entscheidung könne in maximal 15 Minuten getroffen werden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass Berufsgeheimnisträger unterschiedlich behandelt würden.

"Der Bundesrat hat zu Recht die Notbremse gezogen. Schäubles dreister Angriff auf die Demokratie und den Rest an Privatheit ist damit gescheitert", lobte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, die Entscheidung. Jan Korte, Innenexperte der Linken im Bundestag, fürchtet aber, der Einsatz des Bundestrojaners könnte über "Nachbesserungen" doch noch freigegeben werden. Petra Pau, Vorstandsmitglied der Linken, forderte, Schäuble beim Wort zu nehmen und "Verzicht zu üben". Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, sieht beim Bundesinnenminister derweil "die Nerven blank" liegen. Es sei richtig, dass die SPD-regierten Länder "an ihren berechtigten Anliegen festgehalten haben". Die verfassungsrechtlichen Bedenken dürften nun nicht in koalitionstaktischen Runden "als Opfergabe der SPD an die Union unter Schäubles Weihnachtsbaum" gelegt werden.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sprach von einem Rückschlag für die polizeiliche Ermittlungsarbeit. "Das monatelange Gezerre innerhalb der Bundesregierung, die Weigerung, Nachbesserungen vorzunehmen, die vor dem Bundesverfassungsgericht auch Bestand haben, sowie die fehlende Einbindung der Länder im Vorfeld der Gesetzgebung – all dies ist nun dem Bundesinnenminister auf die Füße gefallen." Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) appellierte an alle Beteiligten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, kritisierte den Stopp des Gesetzes. Die jüngsten Terroranschläge in Indien hätten gezeigt, wie wichtig das Vorhaben sei, sagte sie: "Wir brauchen eine solide Basis für eine effektive Terrorabwehr."

Erfreut zeigten sich Verbände der Medienbranche. Laut dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) haben die Länderchefs gezeigt, "welch hohe Bedeutung sie dem Quellenschutz und damit der Wahrung der Pressefreiheit in Deutschland" zumessen. "Wir hoffen, dass der Vermittlungsausschuss einen angemessenen Quellenschutz für Journalisten in das Gesetz schreibt", ergänzte ein Sprecher des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Dieter Kempf aus dem Präsidium des IT-Branchenverbands Bitkom sprach von einer "letzten Chance für Korrekturen" am BKA-Gesetz. "Wir müssen dafür sorgen, dass bei der Kriminalitätsbekämpfung die Verhältnisse gewahrt bleiben. Die Privatsphäre unbescholtener PC-Nutzer darf nicht unnötig verletzt werden."

Zu den technischen und rechtlichen Details der heimlichen Online-Durchsuchung und des Bundestrojaners veröffentlichte c't in der aktuellen Ausgabe (seit Montag, den 24. 11., im Handel) einen Hintergrundartikel:

  • Windei Bundestrojaner, Online-Durchsuchung vs. Gewährleistung von Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, c't 25/08, S. 86

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)