Wolfram Alpha ist online [Update]

Wolfram Alpha, die "computational knowledge engine" des Mathematica-Schöpfers Stephen Wolfram, ist jetzt für alle im Web erreichbar und kostenlos zu nutzen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 337 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter König

Wolfram Alpha löst unter anderem mathematische Aufgaben

Das im März angekündigte Projekt von Stephen Wolfram, eine "rechnende Wissensmaschine" (computational knowledge engine) zu bauen und ins Web zu stellen, sorgte für Wirbel in den Blogs und Nachrichtentickern. Begleitet von reichlich Brimborium wie einer Live-Übertragung im Webfernsehen ist das jüngste Baby des Mathematica-Vaters Wolfram nach tagelangen Wehen auf der Welt, für alle online zu besichtigen und darf auch schon mit Anfragen gefüttert werden – auch wenn die offizielle Geburtsanzeige im Firmenblog noch auf sich warten lässt.

Update: Wie Wolfram Research in einer Pressemitteilung ankündigt, werde man den Webdienst noch heute für gestartet erklären, und zwar um 15 Uhr CDT (entspricht 22:00 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit).

Wie bei einer Internet-Suchmaschine gibt man seine Anfrage in das Textfeld auf der Webseite ein und bekommt nach wenigen Augenblicken das Ergebnis präsentiert. Anders als bei Google & Co. besteht dieses aber nicht aus einer Liste von Links auf Webseiten, deren Text einen oder mehrere der Suchbegriffe enthalten, sondern aus einer übersichtlichen Zusammenfassung der passenden Fakten nebst Quellenangaben, je nach Thema zusätzlich mit Schaubildern, Diagrammen und Karten ins Bild gesetzt.

Bei Fragen nach Fakten zu Mathematik, Technik, Naturwissenschaften, Linguistik oder auch Wirtschaft, die sich mit Zahlen, Tabellen, Schaubildern oder Formeln beantworten lassen, klappt das gut: Die eingegebene Zahlenreihe "2, 3, 5, 7" beispielsweise erkennt Wolfram Alpha als Folge der Primzahlen und setzt sie entsprechend fort. Die Frage nach "H2SO4" holt unter anderem eine dreidimensionale Darstellung eines Schwefelsäure-Moleküls auf den Schirm, "uncle's uncle's brother's son" klärt entfernte Verwandtschaftsverhältnisse per Stammbaum, "2 cups orange juice + 1 slice of cheddar cheese" enthüllt Kalorien- und Proteingehalt des Frühstücks, "c_m___e_" hilft feststeckenden englischen Kreuzworträtselfreunden mit möglichen Ergänzungen.

Wer "Katrina" eingibt, bekommt ausgerechnet, wie viele heute lebende Personen in den USA vermutlich diesen Namen tragen; eine Kurve zeigt, wie sich die Zahl der auf diesen Namen getauften Babys über die Jahre entwickelt hat. Wer eher an den Sturm gedacht hat, muss die Anfrage zu "Katrina Hurricane" ergänzen und sieht dann auf einer Karte den Weg des Sturms und seine Stärke, dargestellt durch die Breite der Spur. Bei ihren Berechnungen und bei der grafischen Aufbereitung greift die "Wissensmaschine" auf Algorithmen und Werkzeuge des Software-Pakets Mathematica zurück, dessen Hersteller ebenfalls Wolfram Research ist.

Das meiste Daten-Rohmaterial für die Antworten stammt aus handverlesenen und von Wolfram-Mitarbeitern eigens aufbereiteten Beständen, Angaben zu Temperatur oder Aktienkursen hingegen holt sich das System live von ausgesuchten Quellen aus dem Web. Mitunter wird gar die IP-Adresse des anfragenden Computers mit einbezogen, etwa bei der Bitte um eine Himmelskarte – im Browser erscheint die aktuelle Konstellation der Gestirne bezogen auf den Aufenthaltsort des Benutzers.

Für viel Furore in den Blogs hat Wolframs leicht missverständliche Andeutung gemacht, der Webdienst werde natürliche Sprache verstehen. Zwar mag jemandem, der es gewohnt ist, mit einer Maschine über Zeichenketten wie "integrate x^3 sin^2 x dx" zu kommunizieren, eine Formulierung wie "population density Japan vs. Germany" schon wie natürliche Sprache vorkommen. Wer hingegen ganze Sätze eintippt, erntet frustrierend oft "Wolfram Alpha isn't sure what to do with your input." Das liegt allerdings nicht nur an den grundsätzlichen Schwierigkeiten von Computern mit natürlicher Sprache, sondern auch daran, dass die Antwortmaschine eben nicht das ganze Web, sondern nur ausgesuchte Quellen anzapft. Für die Suche nach Urlaubsschnäppchen, Kochrezepten, Gerüchteküchen oder Klatsch ist Wolfram Alpha weder gedacht noch geeignet – ein Google-Killer, womit der Webdienst im Vorfeld oft verwechselt wurde, sieht anders aus.

Befürchtungen, Wolfram Alpha werde sich als Allzweckwaffe von Statistiklügnern etablieren, scheinen überzogen: Gegen manche konstruierte Beziehung zwischen Daten sträubt sich der Dienst vehement. So kann man zwar Zahlen über Geburtenraten abrufen und Wolfram Alpha weiß auch, was ein Storch ist, aber die Storchpopulation und die Geburtenrate in ein Schaubild zu zwingen, ist uns bislang noch nicht gelungen. (Falls Sie es hinkriegen, schreiben Sie uns bitte eine Mail).

Wolfram Alpha ist auch eines der Themen der kommenden Ausgabe 12/09 der c't, die ab Montag, den 25. Mai, am Kiosk zu kaufen ist. (pek)