Axiom Alpha: Die Open-Hardware-Kamera

Zwei Österreicher bauen die erste digitale High-End-Filmkamera der Welt, die Open Hardware ist: Die Axiom Alpha läuft nicht nur mit Linux, sondern auch mit offen gelegter Konstruktion, die jeder weiterentwickeln oder an eigene Bedürfnisse anpassen darf.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hubertus Müller
  • Dr. Oliver Diedrich
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Während der Linuxwochen am Technikum Wien haben Herbert Pötzl (43) und Sebastian Pichelhofer (27) ihre Open-Hardware-Kamera vorgestellt. Der Prototyp Axiom Alpha, eine Full-HD-Kamera mit HDMI-Output, funktioniert schon grundsätzlich. Er gilt aber erst mal nur als "Proof of Concept", um zu zeigen, dass die Entwickler das nötige Know-How für das Projekt besitzen.

Sebastian Pichelhofer führt auf den Linuxwochen in Wien die Axiom Alpha vor.

(Bild: Hubertus Müller)

Die Kamera steht auf einem Stativ, hat ein offenes Gehäuse und ist aufs Publikum gerichtet. Die beiden Entwickler stöpseln mehrere Kabel von einem Laptop und einem großen Flachbildschirm in die offen liegenden Platinen der Kamera und schon sehen sich die Zuschauer in dem Vorlesungsraum der FH selber.

"In den vergangenen 50 Jahren haben Entwickler große Fortschritte bei der Filmkamera-Technik gemacht. Die Freiheiten bei der Benutzung haben jedoch gleichzeitig abgenommen", erklärt Pichelhofer dem Publikum zur Einführung. "Der Anwender weiß gar nicht mehr, was in dem Filmgerät eigentlich passiert, es ist zu einer Art Black Box geworden. Die Filmemacher sind zu Marionetten der Kamerahersteller geworden". Der 27-Jährige zeigt gleichzeitig eine Präsentationsfolie, die genau das abbildet: Filmemacher an Fäden hängend.

"Wir wollen die Kontrolle über die Geräte zurückerlangen", betont Pichelhofer, der selbst früher in der Fernsehproduktion tätig war und für verschiedene Sender wie 3Sat gearbeitet hat. Schon lange hatte er sich dabei gewünscht, seine Kameras anzupassen und mit Zusatzfunktionen auszustatten. Seit Juli 2013 arbeitet er jetzt zusammen mit dem Informatiker Herbert Pötzl an der Axiom Alpha.

Pichelhofer gründete zudem die Apertus Association, ein gemeinnütziger, international tätiger Verein, der sich der "Förderung offener und freier audiovisueller Medien und Technologie" verschrieben hat. In diesem Rahmen arbeiten neben Pichelhofer und Pötzl weltweit etwa ein Dutzend weiterer Entwickler am Axiom-Projekt. Den Prototypen haben die beiden allerdings allein entwickelt.

Der erste Prototyp Axiom Alpha.

(Bild: apertus - open source cinema)

Bereits 2012 hat Apertus den Linzer Prix Ars Electronica für die Projektidee bekommen. Der Preis gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen für Elektronik und interaktive Kunst weltweit. Frühere Preisträger waren zum Beispiel Wikileaks und Wikipedia.

Als nächstes soll die Entwicklung der Axiom Beta beginnen, die neben dem Full HD-Output mit bis zu 60 FPS auch 4K-RAW-Output (Ultra HD) via experimentellen HDMI-Formaten ermöglichen soll.

Die Axiom Beta soll schon im Laufe dieses Jahres zu kaufen sein, produziert werden zunächst 250 Stück. Dafür soll im Juli das Crowdfunding starten, um das für die Entwicklung nötige Geld in der Film-Community aufzutreiben. Wer mindestens 350 Euro beisteuert, soll die Kamera später zum Material- und Einkaufspreis erwerben können, der je nach Ausrüstung zwischen 800 und 2000 Euro liegen soll.

In dem Gerät kommt ein Embedded Linux zum Einsatz. Als denkbare Beispiele werden bei den technischen Spezifikationen Raspian und ArchLinux angegeben. Die Platine ist ein Microzed-Entwicklerboard, das auf dem programmierbaren SoC Xilinx Zynq-7000 basiert. Quelltexte sollen zugänglich werden, sodass die Hardware für die eigenen Bedürfnisse umprogrammierbar wird. Alle Kamerafunktionen sollen per Laptop, Tablet oder Smartphone fernsteuerbar sein. Die quelloffene Kamera-Software Apertux befindet sich wie alles andere jedoch noch im Entwicklungsstadium. Sämtliche Dokumentation steht unter der Creative Commons License und die Hardware unter der Cern Open Hardware License.

Als Global-Shutter-Bildsensor wird zunächst der Truesense KAC12040 (ein Four-Thirds-Sensor) Verwendung finden, wobei die User auf der Apertus-Webseite abstimmen können, ob später ein anderer Sensor eingesetzt werden soll. Momentan liegt der Cmosis CMV12000 (Super35-Format) weit vorn, der die Axiom Beta allerdings um 650 Euro verteuern würde. Mit dem Truesense wird sie etwa 1300 Euro kosten.

Es soll möglich sein, Einzelbilder in voller Auflösung aufzunehmen und mit der vollen Bit-Tiefe im RAW-Format auf der Micro-SD-Karte abzuspeichern. Beschleunigungssensor und Gyroskop für Bild-Stabilisierung sind genauso dabei wie Funktionen zur Farbkorrektur. Für den Objektivanschluss wird es verschiedene Optionen geben, etwa das F-Bajonett von Nikon. Das Gerät soll zudem sehr kompakt werden (110x60x50 mm).

Durch Add-ons soll sich die Kamera einfach erweitern lassen.

(Bild: apertus - open source cinema)

Der Vorteil der Kamera soll vor allem ihre offene Struktur und Anpassbarkeit sein. "Die Axiom hat ein modulares Konzept", erklärt Pichelhofer. So seien Sensoren und Filter austauschbar. "Auch das Betriebssystem kann durch ein anderes ersetzt werden, Open Source Entwickler können beliebige Veränderungen machen oder ein ganz anderes Betriebssystem entwickeln", ergänzt Pötzl.

Modulare Input-Output-Addons sollen die Hardware möglichst flexibel erweiterbar machen. "Und wenn Filmemacher sich ein besonderes Feature wünschen, können sie einfach einen Programmierer für ein oder zwei Wochen beauftragen, der ihnen das dann macht", erklärt der Informatiker. Allerdings soll es auch möglich sein, das Gerät ohne IT-Kenntnisse zu verwenden. "Es schadet aber nicht zu wissen, was SSH und eine Kommandozeile ist", heißt es auf der Apertus-Webseite.

Selbst ungewöhnliche Ansprüche soll das Gerät erfüllen können: "Es soll alle möglichen 'Blödheiten' unterstützen", meint Pötzl. Für extreme Anforderungen gibt es wohl auch tatsächlich eine Nachfrage, die bisherige marktübliche Kameras nicht befriedigen können. "Wir hatten für die Axiom Alpha schon zehn Kaufanfragen, obwohl sie noch nicht verkäuflich ist", berichtet er. "Zum Beispiel gab es die Anfrage eines Meeresforschers, der eine Kamera wie unsere sucht, die es möglich macht, das Bild-Processing direkt in der Kamera machen zu lassen."

Gedacht ist sie vor allem für die professionelle Kinobranche. "Als James Cameron mit 'Avatar' rauskam, wollten plötzlich alle auf 3D-Kameras umsteigen", berichtet Pichelhofer. Bei der Axiom könne man solche Neuerungen zukünftig innerhalb von zwei Wochen nachrüsten und anpassen.

Für Hobby- und Urlaubsfilmer ist sie dagegen nicht gedacht. "Der Anwender sollte sich schon mit der Technik auseinandersetzen können", warnt er. "Sie ist für Early Adopter geeignet, die auch mal ein paar kleine Fehler in Kauf nehmen können. Wobei, bisher gibt es wenige Probleme", sagt Pötzl.

Pötzl und Pichelhofer arbeiten, wie auch die anderen Entwickler, bisher in ihrer Freizeit an dem Projekt, eine Bezahlung gibt es noch nicht. Neben dem gemeinnützigen Apertus-Verein gibt es mittlerweile aber auch eine belgische Firma namens Apertus, welche die Professionalisierung des Projekts vorantreiben soll. "Das Ziel ist aber nicht Profit, sondern die Sicherstellung der Entwicklung", erklärt Pötzl. Da scheinen die Ansichten allerdings leicht auseinander zugehen.

Gut möglich, dass es Pötzl nicht um den Profit geht. Auf der Apertus-Webseite heißt es jedoch in einer Stellungnahme der Firma: "Wenn wir wollen, dass die Anstrengungen weitergehen (und das wollen wir von ganzem Herzen), ist es erforderlich, dass die Apertus-Firma langfristig gesehen Profit macht." Es erscheint auch nachvollziehbar, dass auf lange Sicht nur Gewinne die notwendigen Investitionen für so ein großes Projekt ermöglichen. Open Source und Open Hardware soll die Kamera aber in jedem Fall bleiben. (odi) (odi)