Konträre Umfrageergebnisse zu Kinderporno-Sperren

Mit suggestiv formulierten Fragen kann man in angeblich repräsentativen Umfragen Ergebnisse nach Wunsch erzeugen. Das haben Befürworter und Gegner der sogenannten Kinderporno-Sperren der Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen vorgeführt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1153 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Holger Bleich

Mit suggestiv formulierten Fragen kann man in angeblich repräsentativen Umfragen Ergebnisse nach Wunsch erzeugen. Das haben Befürworter und Gegner der sogenannten Kinderporno-Sperren der Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen vorgeführt.

Als am vergangenen Wochenende das Ergebnis einer Telefonumfrage von infratest dimap öffentlich geworden war, mochten die engagierten Gegner von Internet-Sperren es zunächst nicht glauben: 92 Prozent der deutschen Bevölkerung befürworten demnach die Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet. Lediglich acht Prozent sprachen sich gegen das derzeit heiß diskutierte Gesetzesvorhaben der Bundesregierung aus.

Heute nun meldet die Zeit auf ihrem Online-Portal: "Mehr als 90 Prozent gegen Sperrungen im Internet". Auch dies sei das Ergebnis einer repräsentativen Telefonumfrage von infratest dimap. Ja was denn nun? Tatsache ist, dass beide Umfragen mit derselben Erhebungsmethode vom selben Unternehmen durchgeführt wurden, ohne dass es in der kurzen Zeit zwischen den Befragungsterminen Anlass für einen derart großen Meinungsumschwung gegeben hätte.

Die erste Befragung hat infratest dimap im Auftrag des umstrittenen Vereins Deutschen Kinderhilfe e.V. durchgeführt, der sich jüngst auch durch eine Unterschriftensammlung für das Sperrgesetz hervorgetan hatte. Die Frage, auf die 92 Prozent der Befragten mit "ja" geantwortet hatten, lautete wörtlich:

"Die Bundesregierung plant ein Gesetz zur Sperrung von kinderpornographischen Seiten im Internet. Kritiker befürchten eine Zensur und bezweifeln die Wirksamkeit solcher Sperren. Befürworter betonen dagegen, dass solche Sperren eine sinnvolle und wirksame Maßnahme im Kampf gegen die Verbreitung solcher Bilder sind. Wie sehen Sie das: Sind Sie für ein Gesetz zur Sperrung kinderpornographischer Seiten im Internet oder dagegen?"

Die Gegner des Gesetzesvorhaben brachte diese Fragestellung auf die Palme. Suggestiv sei es, so zu fragen, denn man nehme die Antwort schon vorweg. Christian Bahls vom Verein Missbrauchsopfer gegen Internetsperren (MOGIS) entschloss sich, ebenfalls eine Umfrage bei infratest dimap zu beauftragen, um diesen Vorwurf zu belegen. Also befragte infratest dimap wieder die Bevölkerung, diesmal aber anders formuliert:

"Der Zugang zu Internetseiten mit Kinderpornographie sollte durch eine Sperre erschwert werden, das reicht aus, auch wenn die Seiten selbst dann noch vorhanden und für jedermann erreichbar sind."

90 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage nicht zu. So erzeugte Bahls also ein Ergebnis, mit dem er jetzt, ähnlich wie der Verein Kinderhilfe, der Presse erklären könnte, die Mehrheit der Deutschen lehnt das vorgesehene Sperrgesetz ab. Bahls zeigt mit seinem Experiment, dass es für solche komplizierte, vielschichtige Problematiken wie der Verbreitung von Kinderpornographie und die Maßnahmen weder simple Fragen noch einfache Antworten gibt. Ein Versuch, der Bevölkerung, die mehrheitlich über die Sachlage kaum informiert ist, solche Antworten zu entlocken, kann nicht funktionieren.

Die Aktion von Bahls belegt folglich zweierlei: Erstens: Umfrageergebnisse von Meinungsforschungsunternehmen wie infratest dimap taugen kaum, um valide Stimmungsbilder zu erfassen, die zur Argumentation in der politischen Debatte herangezogen werden können. Zweitens: Wer dies dennoch tut, wie es jüngst die Deutsche Kinderhilfe vorexerziert hat, handelt unseriös und schadet der konstruktiven Auseinandersetzung eher, als ihr zu nutzen. (hob)