Innenministerium lässt Satire-Website sperren

Satire mit Fallstricken: Wer sich über das Bundesinnenministerium lustig macht, sollte sich dabei nicht zu nah am Original bewegen, sonst lässt die Bundesverwaltung den Stecker ziehen.

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Thorsten F. staunte nicht schlecht, als ihm sein Hoster am Dienstag vergangener Woche aus heiterem Himmel die Domain kündigte. "Ich war erst mal sprachlos", sagt der 38-Jährige. Ohne Angaben von Gründen hatte die Domainfactory GmbH, bei deren Tochtermarke DomainGo der Selbständige seine Domain pifo.biz registriert hatte, den Stecker gezogen und den Vertrag gekündigt. Erst auf hartnäckiges Nachfragen teilt der Hoster mit, dass die Domain auf Betreiben des Bundesinnenministeriums (BMI) deaktiviert worden sei.

Stein des Anstoßes war eine auf der Subdomain bmi.pifo.biz gehostete Website, die dem alten Internetauftritt des BMI nachempfunden war. Während die Website in Teilen offenbar eine genaue Kopie der offiziellen Schäuble-Homepage war, setzten sich andere Teile in deutlich satirischer Absicht mit Themen wie Internetsperren oder Überwachung auseinander. Nachdem Thorsten F. gegenüber Domainfactory schriftlich versichert hatte, die von offizieller Seite angemahnte Website nicht weiter zu veröffentlichen, nahm der Hoster die Kündigung zurück.

Doch dauert es einige Zeit, bis Thorsten F. erfährt, was genau er sich eigentlich hat zu Schulden kommen lassen. Das BMI, bei dem er nachgefragt hat, weiß nichts von einer Beschwerde, sagt er. Auf Nachfrage beim Hoster wird klar: Beschwert hatte sich das Bundesverwaltungsamt (BVA), das unter anderem über die Verwendung hoheitlicher Kennzeichen wacht. "Unter der o.g. Domain [...] wird der Internetauftritt des Bundesministeriums des Innern nachgeahmt", steht in dem Fax des Bundesverwaltungsamtes. "Wir bitten Sie als Provider, die genannte Domain umgehend zu sperren."

Für den Hoster ist die unzulässige Verwendung von Bundesabzeichen eine "schwere Vertragsverletzung" und rechtfertigt eine fristlose Kündigung des Vertrags. Bei der Entscheidung habe die Gestaltung der Website ein Rolle gespielt, erläutert der Rechtsanwalt von Domainfactory gegenüber heise online. So hätten einige Links weiterhin auf die echten Seiten des BMI verwiesen, was die Gefahr einer Verwechslung erhöht habe. Wenn die Rechtsabteilung einen "klaren Rechtsverstoß" sieht, habe er keine Wahl, als sofort zu sperren, sagt Oliver Marburg von Domainfactory. "Wir haben dann umgehend Kontakt zum Kunden aufgenommen".

In einer ausführlichen öffentlichen Stellungnahme erklärt Domainfactory, was auch der Anwalt des Unternehmens im Gespräch mit heise online nachdrücklich betont: Leicht habe man sich die Entscheidung nicht gemacht. Der Sperranspruch des Regierungsorgans sei gegen die Rechtsgüter Meinungs- und Kunstfreiheit abgewogen worden. Als Provider sei das Unternehmen "keinesfalls daran interessiert, eine leichtfertige Unterbindung der Verbreitung von 'unbequemen' Informationen zu unterstützen." Domainfactory weist darauf hin, im Falle des Falles für Kunden auch durch die Instanzen zu gehen – auf eigenes Risiko.

Das Bundesverwaltungsamt ist nicht von sich aus tätig geworden. Die Initiative ging vom BMI aus, erklärt das BVA. Das Amt verwaltet die Domains des Bundes und ist für die Verfolgung der unbefugten Benutzung von Hoheitszeichen zuständig. Auf der fraglichen Domain seien "unzulässigerweise der Name, das Logo, der Bundesadler, Fotos und das Design des Bundesministeriums des Innern verwendet" worden, erläutert ein Sprecher der Bonner Behörde auf Anfrage von heise online. Das BVA beruft sich auf den Namensschutz nach §12 BGB, der auch öffentlich-rechtlichen Körperschaften zustehe. Darüber sei "die unbefugte Nutzung des Bundesadlers" eine Ordnungwidrigkeit.

Dabei räumt das BVA ein, dass es sich um Satire handelt. Eine Abwägung, ob die Seite deshalb etwa von Kunst- oder Meinungsfreiheit gedeckt sei, habe stattgefunden. "Auch wenn die maßgeblichen Inhalte auf 'bmi.pifo.biz' als Satire zu bewerten sind", heißt es in der Stellungnahme der Behörde, "führt es im konkreten Fall zu keiner anderen rechtlichen Bewertung." Warum beim Provider sofort eine Sperrung veranlasst und nicht zuerst der Betroffene direkt kontaktiert wurde? Auch der Provider habe ein "besonderes Interesse" daran, die Inhalte möglichst schnell vom Netz zu nehmen, meint das BVA.

Thorsten F. hat den Disput mit dem Hoster beigelegt und seine Domain inzwischen zurück. Die gesperrte Seite ist verändert wieder online. Er hätte diese Änderungen auch sofort vorgenommen, wenn ihn jemand auf die rechtlichen Probleme hingewiesen hätte, sagt er. (vbr)