Europarat zwischen Meinungsfreiheit und Internetsperren

In Reykjavik befasst sich ab heute die erste Ministerkonferenz des Europarates zu den neuen Medien mit den Gefahren für die Informations- und Meinungsfreiheit durch Einschränkungen des Netzzugangs.

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Von
  • Monika Ermert

Mit den Gefahren für die Informations- und Meinungsfreiheit durch Einschränkungen des Netzzugangs befasst sich die heute in Reykjavik startende erste Ministerkonferenz des Europarates zu den neuen Medien. Der Europarat ist eine institutionell nicht mit der EU verbundene Organisation mit 47 Mitgliedsstaaten, die zum Beispiel die Cybercrime-Konvention ausgearbeitet hat.

Die versammelten Fachminister wollen dort am Freitag einen Fahrplan für künftige Rechtsinstrumente des Europarates verabschieden, die dem Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Freiheit der Meinungsäußerung mehr Geltung verschaffen, aber auch nach "Regelungslücken" in den neuen Medien fahnden soll. Das sagte Jan Kleijssen, Direktor in der Abteilung Menschenrechte und Rechtsfragen beim Europarat, kurz vor der Konferenz gegenüber heise online.

"Natürlich ist die Konferenz eine Reaktion auf Entwicklungen in verschiedenen Ländern", sagte Kleijssen. Die in Frankreich geplanten Sperren von Netzzugängen für Urheberrechtsverletzungen könnten vor dem Europäischen Menschengerichtshof landen, erwartet der Fachmann. Weil Nutzer nicht bloß davon abgehalten würden, online einzukaufen, sondern auch von Online-Kampagnen wie der zur Europawahl abgeschnitten würden, drängten sich Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf.

Auch das bereits mehrfach vom Rat aufgegriffene Problem der zunehmenden Einschränkung von Grundrechten auf der Grundlage von Anti-Terrorgesetzen soll in einem neuen Rechtsinstrument aufgegriffen werden. Der Europarat hat zu diesem Thema einen Expertenbericht (PDF-Datei) vom Direktor des Freedom of Information Project der Organisation Privacy International, David Banisar, anfertigen lassen. Er berichtet darin unter anderem über zunehmende strafrechtliche Verfolgung von Journalisten und Informanten, die als "Staatsgeheimnisse" klassifizierte Informationen veröffentlichen, und von ausgeweiteten gesetzlichen Regelungen zur Überwachung von Journalisten und Bürgern.

Europarats-Mitgliedsländer haben dabei die Konvention des Europarates zur Verhinderung des Terrorismus ziemlich überdehnt, schreibt Banisar. Auch das Blocken von kinderpornografischen, pornografischen, rassistischen und extremistischen Webseiten in skandinavischen Ländern und Frankreich nimmt der Bericht unter die Lupe. In Finnland zum Beispiel wurde eine Seite blockiert, die sich kritisch mit der für die Sperren zuständigen Behörde auseinandersetzte.

Ein weiteres zentrales Thema der Medienexperten im Rat ist schließlich der Schutz von Kindern im Internet. Kleijssen räumt ein, dass sich der Europarat mit der Verteidigung der Meinungsfreiheit einerseits und Einschränkungen der Freiheit, etwa zugunsten des Jugendschutz andererseits, klar in einem Spannungsfeld bewegt. Ein echtes Problem sieht er nicht.

Wie wirkungsvoll die geplanten Rechtsinstrumente sein werden, hängt auch davon ab, ob sich die Mitgliedsstaaten auf eine Konvention oder nur auf Empfehlungen einigen. Sollte es eine Konvention für die Meinungsfreiheit im Netz geben, dann könnte möglicherweise eine Kommission gegründet werden, die Einschränkungen der Meinungsfreiheit in den Mitgliedsländern bei Kontrollbesuchen prüft. Damit müssten Betroffene nicht warten, bis etwa der Europäische Gerichtshof über eine Klage entscheidet. (Monika Ermert) / (anw)