E-Voting in Österreich: Wahlbeteiligung auf Rekordtief

Die Generalprobe für E-Voting in Österreich ging gründlich daneben: Technische Probleme und einhergehende Verzögerungen bescherten der Wahl zur Studentenvertretung ein Rekordtief bei der Wahlbeteiligung und Unmut bei den Wählern.

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Die Wahlbeteiligung an der am Donnerstag zu Ende gegangenen Wahlen zur Studentenvertretung Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) ist auf ein Rekordtief gesunken. Nur mehr jeder vierte von gut 230.000 Studierenden schritt zur Urne. Auch das erstmals angebotene E-Voting über das Internet konnte diesen Wert nicht verbessern: Lediglich 2.161 Personen oder 0,9 Prozent wählten online. An sieben von 21 Universitäten wurde keine einzige Stimme elektronisch abgegeben.

Kritiker sehen gerade im E-Voting den Grund für die geringe Wahlbeteiligung: Mit den ÖH-Wahlen als Versuchsobjekt für E-Voting habe die Regierung ihre Geringschätzung für die ÖH Ausdruck verliehen. Dies habe die Motivation, das Wahlrecht auszuüben, nicht gerade gefördert, so die Argumentation. Zudem bestehen Unsicherheiten bezüglich des Wahlgeheimnisses.

"Das Konzept hat funktioniert und ist aufgegangen", sagte dagegen Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) nach der Wahl zum Thema E-Voting, "Ich hoffe, dass es jetzt demnächst zur Normalität wird." (MP3 auf fm4.orf.at) Die Studierendenvertreter sehen das anders, mindestens zwei Fraktionen werden die Wahl wegen des E-Votings anfechten. Der Dekan der Wiener juridischen Fakultät, Heinz Mayer, sieht gute Chancen für eine Wahlanfechtung, denn die elektronischen Stimmzettel waren fehlerhaft: Bei allen Listen fehlten die Kurzbezeichnungen, der Name einer Liste wurde um ein zentrales Wort verkürzt angezeigt. Dies war den Wahlkommissionen nicht aufgefallen, da das User-Interface bis zum Beginn des E-Voting vor ihnen geheim gehalten worden war. Allerdings könnten die Anfechtungsverfahren, die über Bundeswahlkommission und Wissenschaftsminister erst in dritter Instanz zum Verfassungsgerichtshof führen, mehr als zwei Jahre dauern – und dann wird ohnehin wieder neu gewählt.

Die Einführung des E-Voting samt notwendiger elektronischer Wahllisten und Wahladministrationssoftware hatte erhebliche Auswirkungen auf die Papierwahl. Die Datenbank hatte alle Wähler, deren Namen mit einem Umlaut beginnen, hinter den Buchstaben Z gereiht. Für die Wahllokale ausgedruckt wurde aber nur der Bereich von A bis Z. "Umlautnamensträger" konnten daher zunächst nicht wählen. Auch Personen mit Doppelvokalen im Namen und manche besonders Fleißige, die mehr als ein Studium betreiben, waren betroffen. Viele konnten daher erst nach einer Ergänzung der ausgedruckten Wählerlisten ihre Stimme abgeben. Bereits im Vorfeld war bemängelt worden, dass das elektronische Wählerverzeichnis unvollständig war.

In Innsbruck funktionierten die eigens bereitgestellten Laptops zunächst nicht. Offenbar hatte es keinen Probelauf gegeben, weil die Wählerlisten aus Wien erst spät eingetroffen waren, wie TT.com berichtet. Die Wahllokale konnte daher am ersten Papierwahltag erst mit zweistündiger Verspätung aufsperren. Außerdem fehlten alle Studierende jener Studienrichtungen, in denen es keine Kandidaten für die Studienrichtungsvertretung gab, in den Wählerlisten. Es war ihnen daher zunächst auch nicht möglich, ihre Universitätsvertretung zu wählen. So mancher Wahlwillige musste vertröstet werden und unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Probleme mit der neuen Wahladministrationssoftware verzögerten zudem die Auszählung der Stimmen. War das Gesamtergebnis früher noch am Abend des letzten Wahltages vorgelegen, dauerte es diesmal einen ganzen Tag. Statt einer Beschleunigung der Stimmenauszählung hat sich durch das E-Voting also indirekt eine Verzögerung gegeben.

Das Ergebnis der Wahl selbst ist wenig spektakulär. Die Bundesvertretung wird seit 2007 nicht mehr direkt gewählt, sondern von den Universitätsvertretungen beschickt. Durch die erstmalige Aufnahme von 16 Vertretern der Fachhochschüler und vier Repräsentanten der Studierenden an Pädagogischen Hochschulen wächst das Gremium von 66 auf 85 Personen. Welchen Fraktionen sich diese neuen Mandatare anschließen werden, ist noch offen.

Unter den von den Universitätsvertretungen gestellten Mitgliedern bleibt die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft mit 22 (bisher 20) Mandaten die stärkste Fraktion. Dahinter liegen die Grünen und Alternativen Studenten (GRAS) und die parteiunabhängigen Fachschaftslisten mit je 15 Sitzen (bisher 15 bzw. 14). Der sozialistische VSStÖ verliert drei Mandate und stellt nur mehr acht Mitglieder der Bundesvertretung. Zwei Gewählte sind fraktionslos und könnten sich den Fachschaftslisten anschließen. Eine als "Lex RFS" bekannt gewordene Bestimmung sichert Listenverbänden, die bundesweit mindestens 1.000 Stimmen bekommen, ein Mandat. Dies haben diesmal zwei kommunistische Listen sowie ganz knapp auch der FPÖ-nahe RFS geschafft. Die Jungen Liberalen sind hingegen nicht mehr vertreten. (Daniel AJ Sokolov) (cm)